interview
Interview mit der dbb Führungsspitze zur Einkommensrunde 2019
„Ehrgeizige Ziele“
dbb magazin: Vor wenigen Wo-
chen hat der dbb seinen 100.
Geburtstag gefeiert. Anlässlich
der Feierlichkeiten haben Sie,
Herr Silberbach, festgestellt:
„Der Qualität von Gesundheit,
Sicherheit, Bildung und Kultur
haben Privatisierung, Infrage-
stellen des Flächentarifs und
Wettbewerb nicht gutgetan.“
Und daraus haben Sie gefol-
gert: „Ein öffentlicher Dienst
und ein Flächentarifvertrag.“
Wäre das nicht auch eine kna-
ckige Forderung für die anste-
hende Einkommensrunde mit
den Ländern?
Silberbach:
Eine solche Grund
satzforderung kann nicht Be
standteil einer Einkommensrun
de mit einem Arbeitgeber sein,
sondern muss politisch mit al
len Arbeitgebern gelöst werden.
Klar ist aber, dass der Wettbe
werb über Personalkosten der
falsche Weg ist. Der Wettbe
werb um die beste Qualität und
die besten Köpfe muss auf die
Agenda. Hier stehen die 6 Pro
zent, die unsere BTK gefordert
hat, im Zentrum unserer Arbeit.
Also wird die deutliche Verbes-
serung der Tabellenstruktur im
TVöD-Bereich auch im Länder-
bereich kommen?
Geyer:
Das ist kein Automatis
mus. Die Tarifgemeinschaft
deutscher Länder ist ein eigen
ständiger Tarifpartner. Aber
wenn wir uns klarmachen, wa
rum wir im TVöD die Tabelle
spürbar aufgewertet haben,
dann sind das Gründe, an de
nen auch die Länder nicht vor
beikommen. Das gilt umso
mehr, als die Länder mit dem
TV-L um dieselben Menschen
werben wie Bund und Kommu
nen mit dem TVöD. Und da
wird beispielsweise eine Kran
kenschwester in Köln oder
Bonn sich einfach beide Tabel
len anschauen, um sich dann
– Stand heute – gegen die
Unikliniken in den beiden ge
nannten Städten und für die
kommunalen Einrichtungen
dort zu entscheiden. Der Nach
wuchs- und Fachkräftemangel
ist mittlerweile dermaßen of
fenkundig, dass hoffentlich
niemand mehr behauptet, die
ser sei eine gewerkschaftliche
Propagandaerfindung. Dieser
Mangel besteht übrigens sta
tusübergreifend, also auch in
klassischen Beamtenbereichen.
Wir zitieren dazu den Fach
vorstand Beamtenpolitik aus
unserem Interview zur letzten
Einkommensrunde: „Hier (im
Länderbereich) sind Unwuchten
entstanden, die längst nichts
mehr mit konstruktiver födera-
ler Konkurrenz zu tun haben,
sondern nur noch mit einer ide-
enlosen Verwaltung der Haus-
halte. Die Zukunft wird so ganz
sicher nicht gewonnen. Ich will
die Beamtinnen und Beamten,
mehr noch als bisher, dafür in-
teressieren, sich einzumischen.“
Sind die Beamtinnen und Be-
amten im Kommunal- und Lan-
desdienst nun interessiert und
werden sich entsprechend be-
merkbar machen?
Schäfer:
Es stimmt, was Volker
Geyer sagt. Der Mangel ist
überall mit Händen zu greifen
und er nimmt Formen an, die
die Zukunftsfähigkeit unseres
Landes infrage stellen. Bisher
versucht es die Politik noch mit
Notlösungen. Aber damit wird
das Problem nur verschleppt.
Wenn ich zum Beispiel bei der
Berliner Polizei die Mindestgrö
ße für Bewerber abschaffe, um
mehr Nachwuchs zu erhalten,
ist das sicherlich in Ordnung.
Unterschiedliche Mindestgrö
ßen in unterschiedlichen Bun
desländern sind ohnehin ein
Zeichen dafür, wie absurd Fö
deralismus sein kann. Wenn
jedoch die Maßstäbe an die
Qualität unseres Lehrernach
wuchses immer weiter abge
senkt werden und der Seiten
einsteiger fast schon zur Regel
wird, dann bleibt das nicht fol
genlos. Und genau das macht
auch unsere Mitglieder so sau
er. Wenn es nicht so zynisch
wäre, müsste man sagen, die
Dienstherren übernehmen un
seren Job bei der Mobilisierung
unserer Mitglieder. Denn tat
sächlich mischen sich immer
mehr Beamte ein und sind be
reit, ihre Unzufriedenheit auch
zu zeigen. Ich denke, dass wir
das in der Einkommensrunde
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Fachvorstand Tarifpolitik und stellvertretender dbb Bundesvorsitzender, Volker Geyer, dbb Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach sowie der Zweite dbb
Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik, Friedhelm Schäfer (von links)
© Jan Brenner
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dbb magazin | Januar/Februar 2019