dbb magazin 1-2/2019 - page 6

interview
spüren werden. Dabei geht es
den Kolleginnen und Kollegen
nicht allein ums Geld, sondern
auch darum, dass ihre Schule,
ihre Polizeidienststelle oder ihr
Amt langsam aber sicher ka­
puttgespart werden.
Welche Themen werden denn
die Einkommensrunde bestim-
men?
Geyer:
Ich denke, unser Forde­
rungspapier ist hier eindeutig.
Klar ist, dass die 6 Prozent im
Fokus stehen werden, dass wir
eine strukturell verbesserte
Entgeltordnung brauchen und
nicht nur eine notdürftig aus­
gebesserte. Das schließt die
Entgeltordnung für Lehrkräfte
mit ein. Auch sollten die Län­
der endlich die Möglichkeit ge­
staltender Tarifpolitik offensiv
nutzen, wenn es darum geht,
geeigneten Nachwuchs zu fin­
den und zu binden.
Schäfer:
Und wir brauchen eine
zeitgleiche und systemgerech­
te Übertragung des Potsdamer
Tarifabschlusses auf die Lan­
des- und Kommunalbeamten.
Was „zeitgleich“ in diesem Zu-
sammenhang meint, leuchtet
ein, aber was ist mit „system-
gerecht“ gemeint?
Schäfer:
Das ist leicht zu erklä­
ren. Systemgerecht meint vo­
lumengleich. In den Potsdamer
Einkommensrunden geht es
auch um lineare Einkommens­
erhöhungen, aber insbesonde­
re in den letzten Jahren waren
Einkommensrunden auch im­
mer der Ort, an dem weitere
materiell anspruchsvolle Pro­
jekte verhandelt und beschlos­
sen wurden. Diese binden oft­
mals ein finanzielles Volumen,
das dann nicht mehr für den
linearen Abschluss zur Verfü­
gung steht. Wird aber nur der
auf die Beamten übertragen,
ist das schlicht nicht in Ord­
nung.
Geyer:
In der Summe, inklusive
der erwähnten Übertragung
auf den Beamtenbereich, ha­
ben wir sehr ehrgeizige Ziele.
Kollege Geyer sprach die
Jugend an. Wie lange wird
der dbb noch die unbefristete
Übernahme fordern und dann
nicht bekommen?
Silberbach:
Bis wir sie haben.
Niemand hat behauptet, dass
Tarifpolitik einfach ist. Und lei­
der ist es auch nicht so, dass im­
mer das beste Sachargument
gewinnt. Friedhelm Schäfer hat
den offensichtlichen Personal­
mangel im Länderbereich doch
eben schon erwähnt. Die Län­
der kriegen kaum noch Leute,
die Aufgaben werden schwerer
und umfangreicher und alle
Länder, egal ob rot, grün oder
schwarz, schummeln sich
durch, anstatt perspektivisch
Nachwuchsarbeit zu betreiben.
Bestenfalls kommen die reiche­
ren Länder auf die Idee, sich bei
Personalengpässen beim ärme­
ren Nachbarland zu bedienen.
Was ich hier sage, ist ja auch
kein Geheimnis. Jeder weiß
um die Mängel und oft werden
sie in derselben Ausgabe einer
Zeitung beschrieben, in der
auch über Wochen von gigan­
tischen Steuereinnahmen die
Rede war.
Konkret zur Jugend: Bis heute
findet sich immer ein wackerer
Arbeitgeber, der unseren For­
derungen mit der 19.-Jahrhun­
dert-Parole begegnet, wonach
Lehrjahre keine Herrenjahre
sind. Tatsächlich jedoch geht
es darum, dass die jungen
Menschen heute selbstbe­
wusster sind als frühere Gene­
rationen und dass sie wissen,
dass sie, bei entsprechender
Ausbildung, begehrt sind. Oft­
mals können wir da als öffent­
licher Dienst mit den Einkom­
mensmöglichkeiten ohnehin
nicht mithalten, aber wenn wir
dann auch noch einen unserer
möglichen Vorteile leichtfertig
aus der Hand geben und den
jungen Menschen statt Sicher­
heit Befristung anbieten, dann
machen die Schulabsolventen
immer häufiger einen Bogen
um den öffentlichen Dienst.
Hessen ist ja schon lange kein
Mitglied der TdL mehr. Gibt es
auch im Umgang mit dem
Nachwuchs oder bei anderen
tarifpolitischen Themen mar-
kante Unterschiede?
Geyer:
Natürlich orientiert sich
auch Hessen an den Parame­
tern, die in Potsdam verhandelt
werden. Dass wir jedoch in
Wiesbaden nur das Potsdamer
Ergebnis nachvollziehen, lässt
sich nicht sagen. In Sachen un­
befristeter Übernahme, über die
wir gerade sprachen, reiht sich
das Land bisher in die Phalanx
der TdL ein. Im Unterschied zur
TdL haben wir in Hessen auch
überhaupt noch keine Entgelt­
ordnung für Lehrkräfte. Da wol­
len wir dieses Mal ran. Jeden­
falls ist Hessen mehr als ein
Nachklapp zur TdL-Runde. So
haben wir in Hessen bereits die
stufengleiche Höhergruppie­
rung erreicht, was uns bei der
TdL leider noch nicht gelungen
ist. Wir haben dort viele Mit­
glieder und werden auch dort
offensiv für die von Friedhelm
Schäfer erläuterte zeitgleiche
und systemgerechte Übertra­
gung auf den Beamtenbereich
kämpfen. Da hat das reiche Hes­
sen in der Vergangenheit an der
Zukunft des Landes gespart.
Stichwort Zukunft. Wie sieht
es in Zukunft mit der Zusam-
menarbeit zwischen ver.di
und dem dbb bei Einkommens-
runden aus.
Silberbach:
Die gibt es unver­
ändert und die ist auch die Ba­
sis für unsere Tarifverhandlun­
gen zur Einkommensrunde
2019. Auch die Grundlage für
diese Kooperation gilt unver­
ändert: Arbeiten wir nicht zu­
sammen, ist das nur für den
Arbeitgeber von Vorteil.
Überraschend hat der Bundes-
tag kurz vor Ablauf der Frist,
die das Karlsruher Bundesver-
fassungsgericht gesetzt hatte,
das Tarifeinheitsgesetz refor-
miert. Hat das Auswirkungen
auf die Einkommensrunde?
Geyer:
„Reformiert“ ist wohl
das falsche Wort. Verschlimm­
bessert trifft es besser. Das
Gesetz war nicht praktikabel
und es ist durch die lieblosen
Änderungen nicht besser ge­
worden. Wenn es gut läuft,
wird das unselige TEG nie eine
Rolle im Tarifalltag des öffent­
lichen Dienstes spielen. Die
eben erwähnte Vereinbarungs­
absprache zeigt den Weg auf,
wie tarifautonome Parteien
Konflikte regeln und Zusam­
menarbeit vereinbaren.
An dieser Stelle fragen wir auch
immer wieder gerne nach, ob
die Haltung des dbb in Sachen
Streikrecht für Beamtinnen und
Beamte unverändert ist.
Schäfer:
Das ist sie. Da kön-
nen Sie auch für die Hefte der
nächsten Jahre meine Antwort
immer schon wiederverwen­
den. Beamtenstreik wird es
mit uns nicht geben. Wir wol­
len das Beamtentum seinem
Wesen und seinem Sinn nach
schützen. Das geht nicht, wenn
wir uns die Rosinen rauspicken
und gleichzeitig fröhlich strei­
ken wollen. Wer so handelt,
arbeitet an der Abschaffung
des Berufsbeamtentums.
Letzte Frage: Machen die
erhobenen Forderungen den
dbb aktionsfähig?
Silberbach:
Die Forderungen
sind das Ergebnis einer inten­
siven BTK-Diskussion. Die Mul­
tiplikatoren in unseren Fach­
gewerkschaften haben sie
beschlossen. Ich gehe davon
aus, dass sie in den Verwal­
tungen, Lehrerzimmern und
Betrieben auch für deren Um­
setzung werben. Da ist mir
nicht bange.
Geyer:
Ich bin da auch sehr
zuversichtlich, nicht nur auf­
grund der guten Diskussionen
bei den Branchentagen. Wir
hatten im September in Berlin
eine gut besuchte Streikleiter­
konferenz. Da zeichnete sich
eine erfreuliche Bereitschaft
ab, mitzumachen und nicht
nur nach Potsdam zu schauen.
Die Fragen stellte
Ulrich Hohndorf.
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