Höherwertige Vorbeschäftigung und Zuordnung zu einer höheren Entgeltstufe

Eine einschlägige Berufserfahrung kann nach § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 TV-L auch dann zu einer Einstufung in eine höhere Entgeltstufe führen, wenn die zuvor ausgeübte Tätigkeit einer höheren Entgeltgruppe zuzuordnen ist. Wurde die Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber im Inland erworben, kann eine Zuordnung höchstens in die Entgeltstufe 2 beziehungsweise 3 erfolgen, ohne dass dies zu einem Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit in der Europäischen Union führt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Oktober 2015, Aktenzeichen 7 Sa 773/15).

Der Fall

Die Klägerin wurde vom beklagten Land als Erzieherin eingestellt und in einer Grundschule beschäftigt. Ihre zuvor bei anderen Arbeitgebern verrichtete Tätigkeit als Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Aufgaben gehörte einer höheren Entgeltgruppe an. Das beklagte Land ordnete die Klägerin der Entgeltgruppe 8 Stufe 1 zu, weil eine einschlägige Berufserfahrung im Tarifsinne nicht vorliege. Die Klägerin machte eine höhere Einstufung geltend und bekam vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Berlin, Urteil vom 18. März 2015, Aktenzeichen 60 Ca 4638/14 (siehe tacheles 4/2015) recht.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat unter Berücksichtigung der Vorbeschäftigungen eine Ersteinstufung in die Stufe 2 für zutreffend gehalten. Die Klägerin habe durch ihre höherwertige Vorbeschäftigung eine einschlägige Berufserfahrung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erworben, weil es sich ebenfalls um eine Erziehertätigkeit – wenn auch mit besonderer fachlicher Schwierigkeit – gehandelt habe. Eine höhere Einstufung ist nach Ansicht des Gerichts tariflich nicht möglich. Das unionsrechtlich garantierte Recht auf Freizügigkeit sei hiervon nicht berührt. Die Klägerin sei stets im Inland tätig gewesen. Ob sie bei einer Vorbeschäftigung im EU-Ausland hätte geltend machen können, dass das Recht auf Freizügigkeit bei einer nicht vollständigen Berücksichtigung bei der Einstufung verletzt werde, könne dahinstehen. Im Übrigen wäre eine mittelbare Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern bei der Einstufung nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L durch die unionsrechtlich legitimen Ziele, die Bindung zu einem bestimmten Arbeitgeber zu honorieren, einen Anreiz zur Rückkehr zu diesem Arbeitgeber zu schaffen und in den Strukturen des Arbeitgebers erworbene Berufserfahrung weiter nutzen zu können, gerechtfertigt. Die Revision an das BAG wurde zugelassen.

Das Fazit

Die vorliegende Entscheidung bestätigt die Auffassung des ArbG Berlin, dass einschlägige Berufserfahrung auch durch Ausübung der schwierigeren Aufgaben dieser Tätigkeit erworben werden kann. Das bedeutet, dass in Ausübung der qualifizierten Tätigkeit zugleich einschlägige Berufserfahrung gemäß der Ausgangsfallgruppe erworben werden kann. Anders als die Vorinstanz kommt das LAG Berlin-Brandenburg zu dem Ergebnis, dass die vom EuGH in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013, Aktenzeichen C-514/12, angelegten Maßstäbe nicht auch auf die in Deutschland geltenden Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes anzuwenden sind. Das Gericht begründet seine Auffassung unter anderem damit, dass das Recht auf Freizügigkeit hiervon nicht berührt sei, denn die Klägerin sei stets im Inland tätig gewesen. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen, denn der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen.

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