dbb Jahrestagung 2024
Chancen und Risiken von KI: Die Dampfmaschine des Wissenszeitalters
Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arbeitswelt auch im öffentlichen Dienst revolutionieren. Welche Rahmenbedingungen notwendig sind, diskutierten renommierte Fachleute auf der Jahrestagung des dbb in Köln.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zur Folge kann KI die Beschäftigten von Routinearbeiten entlasten, damit sie sich bei ihrer Arbeit auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren können. Das sei mit Blick auf die gesamte Wirtschaft wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Beispielsweise sei auch in der Pflege konkrete Entlastung möglich, etwa durch den Einsatz von Spracherkennungssoftware in der Dokumentation, unterstrich Heil in seinem Impulsvortrag. Zudem könne KI Arbeit sicherer machen, etwa, indem dadurch besonders gefährdete Bereiche für Arbeitsschutzkontrollen identifiziert werden. Was die Sicherheit von KI-Lösungen betrifft steht Heil auf dem Standpunkt „Trust is a must - Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für den erfolgreichen KI-Einsatz. Auch bei der Einführung in der Verwaltung müssen die Beschäftigten und die Personalvertretungen deshalb von Anfang an mitgenommen werden.“ Wichtig sei, dass die Regulierung risikobasiert sei – also nur da eingreife, wo es notwendig sei. „Wir wollen KI ja nicht zu Tode regulieren, sondern auch die Chancen nutzen. Klar ist aber auch: KI darf nicht zur Überwachung und Ausbeutung von Beschäftigten führen.“ Ebenso klar sei, dass die Veränderungen rasend schnell kommen werden: „Die Zukunft beginnt jetzt.“
Wo kommt KI bereits in anderen Ländern zum Einsatz? Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT), nannte als Beispiel das österreichische Pendant zur deutschen Bundesagentur für Arbeit. Hier würden Informationen Bürgerinnen und Bürgern – extern – mithilfe eines KI-basierten Chatbots zur Verfügung gestellt, aber – intern – auch den Mitarbeitenden. „Die Technologie hilft, Informationen besser aufzubereiten und damit besser zugänglich zu machen“, sagte er. Für den Wissenschaftler ist Künstliche Intelligenz „die Dampfmaschine des Wissenszeitalters“. Sie biete das Potenzial, Arbeit schneller und höherwertiger zu erledigen. „Der Mensch wird dadurch nicht obsolet, sondern gestärkt, weil er einen Assistenten an die Seite bekommt.“ Die große Herausforderung sei die Qualitätssicherung. Es komme darauf an, diese über die Ausbildung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sicherzustellen. Parycek: „Der Mensch muss intelligenter sein als die Maschine. KI ist ein Werkzeug für Expertinnen und Experten.“ Wer die Technologie nutze, müsse selbstverständlich auch zu ethischen Fragen Stellung beziehen. Diese seien von Fall zu Fall, von Anwendung zu Anwendung unterschiedlich. Ebenfalls müsse transparent sein, woher die Informationen stammen, auf welche die KI zurückgreift, betont Parycek. „Insgesamt ist das Potenzial der Technologie größer als ihr Risiko.“
Lena Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21 e. V. forderte, das Thema KI in der Verwaltung nicht schwarz-weiß zu betrachten. „Es geht nicht darum, dass eine KI alleine entscheidet, sondern bestimmte Prozesschritte begleitet.“ Die Antwort auf die Angst vor KI sei, den Wandel aktiv mitzugestalten und sich die nötigen Kompetenzen anzueignen. Wenn Entscheidungen getroffen werden „muss nachvollziehbar sein, wie das System zu dieser Entscheidung gekommen ist.“ Man müsse die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zukunftsfähig machen. „KI wird kein Allheilmittel sein, aber es kann den Fachkräftemangel abmildern.“ Für KI brauche es kein Tempolimit, aber eine STVO.
Carsten Köppl, Geschäftsführer der Beratungsagentur Next:Public, skizzierte, dass die Beschäftigten im öffentlichen Sektor nach umfassender Modernisierung verlangen und bereit sind, den digitalen Wandel voranzutreiben. „Der Digitalisierungsdruck kommt nicht mehr nur von außen – er kommt zunehmend von innen. Wie attraktiv die Beschäftigten den öffentlichen Dienst dabei als Arbeitgeber einschätzen, welche Erwartungshaltung sie gegenüber der Verwaltungsdigitalisierung hegen und inwiefern sie sich im Bereich IT-Sicherheit auskennen, hat die im Dezember 2023 veröffentlichte Studie ´Barometer Digitale Verwaltung´ der Next:Public gezeigt. Demnach sind Beschäftigte der öffentlichen Verwaltungen keine Bremser digitaler Prozesse und Innovationen, sie sind vielmehr Treiber.“ Im Umkehrschluss müsse sich die Verwaltung als moderner, digitaler Arbeitgeber präsentieren, um die erforderlichen Fachkräfte zu binden.
Paradoxerweise sei die grundsätzliche Bindung der Beschäftigten zum öffentlichen Dienst hoch, während gleichzeitig die Strahlkraft des öffentlichen Dienstes abnehme. So würden nur noch 15 Prozent der Befragten ihren aktuellen Arbeitgeber weiterempfehlen. Obwohl der Staat in besonderem Maße auf qualifiziertes Personal angewiesen sei, nehme die Zufriedenheit der Beschäftigten mit den vorhandenen Rahmenbedingungen ab. Vor allem fehlende individuelle Entwicklungsmöglichkeiten würden kritisiert.
Wie weit der öffentliche Sektor in Sachen IT-Implementierung zurückliege, zeige sich am Fehlen einer öffentlichen Verwaltungs-Cloud. „Bis heute darf die Verwaltung keine Cloudlösung rechtssicher einsetzen. Sie soll jetzt nach 14-jähriger Diskussion entwickelt werden. Das darf uns bei der KI auf keinen Fall passieren!“, kritisierte Köppel und verwies auf die enormen Effizienzpotenziale, die der Einsatz künstlicher Intelligenz mit sich bringen kann.