Nachgefragt bei dbb Chef Ulrich Silberbach

„Unsere Demokratie ist stark. Für sie kämpfen müssen wir trotzdem.“

Viele Menschen sind hinsichtlich der Erosion demokratischer Normen besorgt. dbb Chef Ulrich Silberbach ruft alle demokratischen Kräfte auf, den Dialog zu suchen und Kompromisse zu finden.

Politik & Positionen

dbb magazin: Der dbb Bundesvorstand hat jüngst das Positionspapier „Demokratie stärken – Zusammenhalt fördern“ beschlossen. Was ist der Hintergrund?

Ulrich Silberbach: „Der Zusammenhalt in der Gesellschaft bröckelt. Populismus und Extremismus sind auf dem Vormarsch, das spüren wir alle jeden Tag. Das gilt nicht nur für die ­politischen Ränder, sondern für praktisch alle Teile der Gesellschaft. Ob zwischen Regierung und Opposition, Stadt und Land oder Arbeitgebern und Gewerkschaften; ob bei Politikfeldern wie Klimaschutz, Wirtschaft oder Verkehr. Überall gilt: Unterschiedliche Positionen und ein Ringen um die beste Position gab es schon immer. Aber heute werden Konflikte immer unversöhnlicher ausgetragen. Der Kompromiss scheint in Verruf geraten zu sein, auch medial wird fast nur noch nach „Gewinnern“ und „Verlierern“ gefragt. Diese Sicht auf die Welt ist brandgefährlich, denn – wie es in der Politikwissenschaft heißt: Demokratien sterben in der Mitte.“

Was bedeutet das konkret?

„Wenn der Staat und seine Institutionen an Akzeptanz verlieren, ist das Wasser auf die Mühlen von Extremisten. Wir sehen ja aktuell in den Umfragen, dass die Menschen zunehmend bereit sind, den einfachen und damit verlockenden Parolen der Scharfmacher zu folgen. Schon bei der anstehenden Europawahl könnte das verheerende Folgen haben, denn echte Lösungen haben diese Leute ganz sicher nicht. Aber auch im Alltag spüren wir die Konsequenzen dieser Entwicklung. Rücksichtslosigkeit und Gewalt nehmen zu. Beleidigungen und „Hatespeech“ sind längst nicht mehr nur auf den digitalen Raum beschränkt. Auch körperliche Übergriffe werden mehr – gerade auf Repräsentanten des Staates, darauf weisen wir schon lange hin.“

Dem will sich der dbb entgegenstellen?

„Ich bin fest überzeugt: Unsere Demokratie ist stark. Für sie kämpfen müssen wir trotzdem. Immer wieder aufs Neue. Alle demokratischen Kräfte sind deshalb gut beraten, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Den dbb und seine Mitglieder sehe ich dabei sogar in einer tragenden Rolle. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Bekenntnis zu ihr stellen schließlich die Handlungsgrundlage für unsere gewerkschaftspolitische Arbeit und ebenso für die Arbeit der ­Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dar. Wir stehen gemeinsam für Pluralismus, Solidarität sowie einen respektvollen Umgang ein. Jegliche Formen von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus oder Antifeminismus – sowie Hass, ­Hetze und Gewalt haben bei uns keinen Platz.“

Das haben Sie aber schon früher gesagt. Brauchte es dafür ein neues Positionspapier?

„Es stimmt, ich habe das ähnlich schon zuvor gesagt. Aber dieser neuerliche Beschluss des dbb Bundesvorstands ist trotzdem richtig. Ich habe auf die Europawahl im Sommer hingewiesen. Wir wollen rechtzeitig zuvor ein Zeichen setzen, dass jetzt nicht die Zeit für „Protestwahlen“ ist, sondern unsere Demokratie auf dem Spiel steht. Das ist beispielsweise auch die Kernaussage einer ­Reihe von Videobotschaften, mit der meine Kolleginnen und Kollegen aus der dbb Bundesleitung und ich in den sozialen Netz­werken zur Wahl aufrufen. In unserem Positionspapier heißt es: „Jeder und jede Einzelne trägt die Verantwortung, Haltung zu ­zeigen und für unsere freiheitlich-demokratischen Werte ein­zustehen – und zwar jetzt!“ Dieser Verantwortung wollen wir ­natürlich zuallererst auch selbst gerecht werden.“

Solche Appelle alleine sind aber keine dauerhafte Lösung, oder?

„Mit Sicherheit nicht. Natürlich steht die Zivilgesellschaft in der Pflicht und wir sind bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Aber langfristig müssen selbstverständlich die Ursachen für die tiefer werdenden Gräben in der Gesellschaft bekämpft werden. Auch dazu haben wir eine klare Position, die wir mit dem Positionspapier einmal mehr unterstrichen haben: Gegen schwindendes Vertrauen in den Staat hilft eine konsequente Stärkung des öffentlichen Dienstes. Er ist Garant für rechtsstaatliche und sichere Verhältnisse und in vielfältiger Weise sowohl Dienstleister als auch Multiplikator für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Kurz: Bürokratie abbauen, Verwaltung digitalisieren, Daseins­fürsorge stärken.“

 

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