dbb magazin 3/2019 - page 12

Brexit und öffentlicher Dienst
Zoll massiv betroffen
Der öffentliche Dienst in Deutschland wird
massiv vom Austritt Großbritanniens aus der EU
– erst recht von einem ungeregelten „Brexit“ –
betroffen sein.
„Die Kolleginnen und Kollegen
vom Zoll werden dabei eine
Hauptlast zu tragen haben“,
sagte der dbb Bundesvorsit­
zende Ulrich Silberbach beim
Gewerkschaftstag der Deut­
schen Zoll- und Finanzgewerk­
schaft (BDZ) am 30. Januar
2019 in Berlin. „Ob am Frank­
furter Flughafen oder am Ham­
burger Hafen: Ich befürchte
kilometerlange Staus und War­
teschlangen. Von den Zollan­
meldungen der Unternehmen
ganz zu schweigen. Außer Fra­
ge steht, dass zusätzliches Per­
sonal benötigt wird. Es ist gut
und richtig, dass rund 900
Planstellen für den Zoll zusätz­
lich bewilligt wurden. Das
reicht aber nicht, denn auch
ohne Brexit kann man beim
Zoll von einer aufgabengerech­
ten Personalausstattung schon
lange nicht mehr sprechen.“
Massive Mehrbelastungen und
neue Überstundenberge für
die Beschäftigten seien unver­
meidlich, erklärte Silberbach.
Gerade in Krisenmomenten
und bei außergewöhnlichen
Ereignissen zeige sich, was es
bedeutet, wenn ein funktio­
nierender öffentlicher Dienst
„kaputtgespart“ sei. Der Qua­
lität von Sicherheit, Bildung,
Gesundheitswesen und der
gesamten Verkehrsinfrastruk­
tur in Deutschland hätten die
Sparprogramme der letzten
Jahrzehnte nicht gutgetan.
„Davon kann auch der Zoll als
‚Allroundwaffe‘ des Bundes
bei neuen Aufgaben ein Lied
singen. Von der Schwarzar­
beitsbekämpfung bis zur Er­
hebung der Kfz-Steuer – viele
Aufgaben sind dazugekom­
men, ohne dass eine entspre­
chende Personalentwicklung
mitgedacht wurde“, so der
dbb Chef.
Um den Bund als Arbeitgeber
attraktiver zu machen, müsse
jetzt auch ein anderes Thema
in Angriff genommen werden:
die Arbeitszeit der Bundesbe­
amtinnen und -beamten. Sil­
berbach: „Seit 2004 wurde die
Arbeitszeit für Bundesbeamte
von 38,5 auf 41 Wochenstun­
den angehoben. Einseitig und
ohne Ausgleich. Dabei ging
und geht es nicht um sachliche
Gründe; es sei denn, man ak­
zeptiert einseitiges Sparen zu­
lasten einer Gruppe als Sach­
grund. Wir tun das jedenfalls
nicht. Im Koalitionsvertrag
steht zwar nichts zur Absen­
kung der Wochenarbeitszeit
für Bundesbeamte, aber wir
nehmen den Staatssekretär
im Bundesinnenministerium
Stephan Mayer beimWort,
wenn er sagt: ‚Die derzeit 41
Wochenstunden sind nicht in
Stein gemeißelt.‘ Wir erwarten,
dass endlich Bewegung in die­
se Frage kommt. Die Kollegin­
nen und Kollegen haben das
verdient!“
Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Noch zu wenig
gesellschaftliche Vielfalt
Mehr Diversität in der Beschäftigtenstruktur des
öffentlichen Dienstes hat der Zweite Vorsitzende
und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb, Fried­
helm Schäfer, gefordert.
„Die Vielfalt der Gesellschaft
sollte sich in der Beschäftigten­
struktur abbilden: Denn das
Gemeinwohl geht alle an, und
Organisationen mit einer viel­
fältigen Beschäftigtenstruktur
können besser auf unterschied­
liche Bedürfnisse aller gesell­
schaftlichen Gruppen reagieren“,
sagte Schäfer am 18. Januar
2019 bei einer Veranstaltung der
Hochschulen für den öffentli­
chen Dienst. Zwar gehe es bei
der Einstellung natürlich nach
Eignung und Leistung, aber im
Rahmen der Möglichkeiten müs­
se etwa die „interkulturelle
Kompetenz insgesamt gestärkt
werden“. In Deutschland lebten
16,5 Millionen Personen mit
Migrationshintergrund, davon
„arbeiten rund 20 Prozent in
der Privatwirtschaft, aber nur
6,7 Prozent in der öffentlichen
Verwaltung. Das wird der gesell­
schaftlichen Realität zum Bei­
spiel in Ballungsgebieten nicht
unbedingt gerecht.“
Mit Blick auf die Nachwuchs-
und Fachkräftegewinnung
forderte Schäfer neben der
Vermittlung eines positiven
Images des öffentlichen Diens­
tes und Werbung für die dor­
tigen Karrieremöglichkeiten
insbesondere konkrete perso­
nalwirtschaftliche Maßnah­
men. „Wer guten Nachwuchs
für sich gewinnen will, ohne
beliebig mit den Einkommen
nach oben gehen zu können,
der muss beispielsweise we­
nigstens Verlässlichkeit bie­
ten“, konkretisierte der Zweite
Vorsitzende des dbb mit Blick
auf die immer noch unbefriedi­
gende Befristungspraxis im
Staatsdienst. Im öffentlichen
Dienst liege der Befristungsan­
teil mit 7,4 Prozent höher als in
der Privatwirtschaft mit 6,7
Prozent. „Wer soll das verste­
hen, wer soll das rechtferti­
gen? Gerade junge Menschen
brauchen – und suchen – Per­
spektiven und Planbarkeit.“
<<
Gespräch am Rande des
BDZ-Gewerkschaftstages:
dbb Chef Ulrich Silberbach
und Bundesfinanzminister
Olaf Scholz.
<<
Der Zweite
dbb Vorsit­
zende und
Fachvor­
stand Beam­
tenpolitik,
Friedhelm
Schäfer, kri­
tisierte in
seinem Fach­
vortrag auch
die noch im­
mer unbe­
friedigende
Befristungs­
praxis im
öffentlichen
Dienst.
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