dbb magazin 3/2019 - page 20

interview
landmobilisierung und Boden-
politik“ wird im Sommer 2019
ihre Ergebnisse vorlegen. Weite­
re bereits auf den Weg gebrach­
te Maßnahmen sind die Grund­
gesetzänderung zur Schaffung
einer Finanzierungskompetenz
des Bundes für den sozialen
Wohnungsbau oder die Förde­
rung des freifinanzierten Miet­
wohnungsbaus durch eine steu­
erliche Sonderabschreibung.
Auch damit reagieren wir auf
die angespannte Wohnsituation
in Ballungszentren. Dies wird
aber natürlich erst mittel- und
langfristig zu einer Verbesse­
rung der Mietsituation führen.
Mit dem Besoldungsrecht
möchte ich nicht auf den ange­
spannten Wohnungsmarkt re­
agieren. Eine Dynamisierung
von Stellenzulagen oder eine
„Ballungsraumzulage“ fänden
kaum gesellschaftliche Akzep­
tanz, denn von hohen Wohn­
kosten in Ballungszentren sind
ja alle Stadtbewohner gleicher­
maßen betroffen, nicht nur
Beamte.
Wird der Bund dem Beispiel
Bayerns folgen und im Rahmen
der beabsichtigten Besoldungs-
modernisierung 2019 die be-
reits bei der „Väter- und Müt-
terrente“ vorgenommenen
Verbesserungen auch Vätern
und Müttern gewähren, die
ihren Beruf als Beamte beim
Bund ausüben?
Ich habe mich 2018 in den Koa­
litionsverhandlungen für eine
verbesserte Anerkennung von
Kindererziehungszeiten in der
gesetzlichen Rentenversiche­
rung eingesetzt. Es gibt gute
Gründe dafür, dies auch auf die
Beamtenversorgung zu über­
tragen. Schließlich hat die Kin­
dererziehung eine gesamtge­
sellschaftliche Bedeutung.
Allerdings gibt es auch die Min­
destpension, die ein Baustein
zur Bekämpfung von Alters­
armut ist. Die Sache ist nicht
trivial, sondern erfordert eine
aufwendige Prüfung. Im Laufe
des Frühjahrs 2019 werde ich
eine Entscheidung treffen.
Die Föderalisierung der beam-
tenrechtlichen Zuständigkeiten
einerseits und der demografi-
sche Wandel andererseits ha-
ben den öffentlichen Dienst
über die Jahre in einen Wettbe-
werb mit Privatwirtschaft und
Ländern um die besten Köpfe
auf dem Arbeitsmarkt geführt:
Sehen Sie sich als Dienstherr
mittlerweile als Konkurrenten
der Länder, etwa im Sicher-
heitsbereich?
Zu den Ländern besteht ein
faires und vertrauensvolles
Verhältnis. Da herrscht kein
Konkurrenzkampf. Mir ist nicht
bekannt, dass sich Bund und
Länder systematisch Bewerber
oder Mitarbeiter abwerben
würden. Der Bund kooperiert
sogar bei der Personalgewin­
nung mit den Ländern, zum
Beispiel auf der Online-Platt­
form „durchstaaten.de“. Dort
sind Stellenangebote von Bund
und Ländern gleichermaßen zu
finden.
Mit der Privatwirtschaft steht
der öffentliche Dienst als Ar­
beitgeber tatsächlich in Kon­
kurrenz um die besten Köpfe.
Das war bereits in der Vergan­
genheit so und es wird sich
durch den demografischen
Wandel in Zukunft noch ver­
stärken. Hier können wir mit
der besonderen Arbeitsplatz­
sicherheit und der guten Ge­
sundheits- und Altersversor­
gung werben. Und zum Glück
gibt es immer noch und immer
wieder sehr viele Menschen,
für die es etwas Besonderes
ist, sich für das Gemeinwohl
einzusetzen.
Die Verwerfungen, zu denen
die Föderalismusreform im Be-
amtenbereich geführt hat, sind
unübersehbar: Abwärtswettbe-
werb bei Besoldung und Versor­
gung, verfassungsgerichtliche
Urteile gegen Verletzungen des
Alimentationsprinzips, unter-
schiedliche Laufbahnmodelle
und vielfältige Friktionen beim
Wechsel des Dienstherrn. Wie
stehen Sie zur Wiederherstel-
lung einer Grundeinheitlichkeit
bei Ausbildung, Laufbahn-, Be-
soldungs- und Versorgungsrecht
in Deutschland?
Bund und Länder haben im
Jahre 2006 in der Föderalis­
musreform I vereinbart, dass
die Länder für ihre Beamten
Laufbahn, Besoldung und Ver­
sorgung selbst regeln. Dies hat
viele Vorteile. So können ein­
zelne Länder neue dienstrecht­
liche Modelle in der Praxis er­
proben. Was in Bremen gut
klappt, muss nicht unbedingt
für Sachsen-Anhalt oder Ba­
den-Württemberg die beste
Regelung sein.
Darüber hinaus regelt der Bund
im Beamtenstatusgesetz die
Statusrechte und -pflichten für
alle Beamtinnen und Beamten
in Deutschland einheitlich.
Hiervon umfasst sind auch die
Regelungen zum länderüber­
greifenden Wechsel von Beam­
tinnen und Beamten sowie
zumWechsel von einem Land
in die Bundesverwaltung.
Mit Einzug des Wettbewerbsfö-
deralismus ging das Prinzip des
Flächentarifs auch im öffentli-
chen Dienst Stück für Stück ver-
loren, obwohl dieser branchen-
übergreifend eine spezifische
Stärke der deutschen Wirt-
schaft und Gesellschaft dar-
stellte. Der Qualität von Ge-
sundheit, Sicherheit, Bildung
und Kultur haben Privatisie-
rung, Regionalisierung und
Wettbewerb nicht gutgetan.
Wie ließe sich hier die Idee des
Flächentarifs revitalisieren?
Das Prinzip des Flächentarifs
ist im öffentlichen Dienst sehr
lebendig. Der Bund bildet mit
den kommunalen Arbeitge­
bern eine stabile Verhand­
lungsgemeinschaft. Deshalb
wird für die über zwei Millio­
nen Tarifbeschäftigten in Bund
und Gemeinden gemeinsam
verhandelt. Das erfasst viele
unterschiedliche Behörden
und Sparten: von allen Bundes­
behörden über die klassische
Kommunalverwaltung bis zu
Sparkassen und Flughäfen.
Dass das Prinzip des Flächenta­
rifvertrages im öffentlichen
Dienst verloren ging, kann ich
also so nicht unterschreiben.
Zwar führen die Tarifgemein­
schaft deutscher Länder und
Hessen die Verhandlungen für
ihre Tarifverträge jeweils in
eigener Verantwortung. Das
Land Berlin ist jedoch wieder
in die Tarifgemeinschaft deut­
scher Länder aufgenommen.
Der Koalitionsvertrag sieht
neue Arbeitszeitkontenmodelle
im öffentlichen Dienst vor, ins-
besondere mit dem Ziel, einen
wirksamen Überstunden- und
Mehrarbeitsabbau zu ermögli-
chen. Gibt es dazu bereits kon-
krete Vorstellungen?
Der Auftrag aus dem Koaliti­
onsvertrag stellt klar: Es geht
nicht um pauschale Antworten
wie zum Beispiel die Reduzie­
rung der Wochen- oder Lebens­
arbeitszeit, sondern es geht um
einen belastungsorientierten
Ansatz.
Derzeit erarbeiten die Experten
meines Hauses ein entspre­
chendes Konzept. Wir wollen
der anhaltend hohen Arbeitsbe­
lastung etwa durch Migration,
Digitalisierung und die andau­
ernde verschärfte Sicherheitsla­
ge möglichst zielgenau Rech© CC BY-SA 4.0/Matti Blume (2)
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