interview
nung tragen. Mein Ziel ist es,
ein umfassenderes, vielfältige
res und vor allem effizientes Be
lastungsausgleichssystem zu
schaffen, das noch über die be
reits bestehenden Möglichkei
ten hinausgeht, sowie einen
zeitnahen Freizeitausgleich für
diese besonders belasteten Be
reiche zu ermöglichen.
Darüber hinaus ist, mit Blick
auf die Digitalisierung, ange-
kündigt, mehr Zeitsouveräni-
tät und mobiles Arbeiten zu
ermöglichen. Was plant der
Bundesinnenminister hier?
Die Flexibilisierung von Arbeits
zeit und Arbeitsform ist ein ge
sellschaftlicher Prozess, der aus
unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet werden muss:
Es ist offensichtlich, dass Funk
tionszeiten anstelle fester Prä
senzzeiten die Zeitsouveräni
tät und Arbeitseffizienz des
Einzelnen erhöhen können. Ins
besondere bei jüngeren Men
schen dürfte die Möglichkeit
hierzu auch bei der Wahl ihres
Arbeitgebers eine Rolle spielen.
Daher ist das mobile Arbeiten
in den obersten Bundesbehör
den mittlerweile auch flächen
deckend eingeführt. In der ge
samten Bundesverwaltung
schreitet die Einführung voran.
Andererseits ist es nicht immer
im Interesse der Arbeitnehmer,
wenn Arbeitsleben und Privat
leben sich immer stärker ver
schränken und dies zur Folge
hat, dass ein Abschalten gar
nicht mehr möglich ist. Und
es bleibt dabei: Manche Pro
bleme werden einfach schnel
ler und besser im persönlichen
Gespräch gelöst als durch ei
nen langen E-Mail-Verkehr.
Deshalb plädiere ich für eine
nur behutsame Lockerung der
Präsenzkultur.
Wann können die Beschäftigten
mit der im Koalitionsvertrag
vereinbarten Novelle des Bun-
despersonalvertretungsgesetzes
rechnen und wie weitreichend
sollen die Anpassungen des seit
1974 imWesentlichen unange-
tasteten Regelwerks werden?
Ich plane, demnächst Eckpunkte
zur Novellierung des Bundes
personalvertretungsgesetzes
vorzulegen. Ich rechne aber mit
einem längeren Gesetzgebungs
verfahren. Bei der Novelle sind
die unterschiedlichen Interes
sen der Beteiligten intensiv zu
erörtern, was einige Zeit in An
spruch nehmen wird. Außerdem
muss die seit 1974 ergangene
Rechtsprechung in die Novelle
einfließen. Nachdem dieses Ge
setz für die Personalvertretun
gen und die Beschäftigten im
öffentlichen Dienst, aber auch
für die Dienststellen besondere
Bedeutung hat, ist mir eine
gründliche Aufarbeitung des
Themas wichtig.
Im Sommer haben Sie im Inter-
view mit dem dbb magazin auf
den Pakt für den Rechtsstaat
verwiesen, mit dem im Koali
tionsvertrag der Bundesregie-
rung auch neue Stellen für die
Justiz vereinbart wurden. Bund
und Länder haben hier aber im-
mer noch keine Einigung über
die Finanzierung erzielt. Woran
hapert es?
Wir haben am 31. Januar 2019 in
der Konferenz der Bundeskanz
lerin mit den Ministerpräsiden
ten, an der auch ich teilgenom
men habe, zum Pakt für den
Rechtsstaat Einigkeit erzielt. Der
Pakt besteht aus drei Säulen:
Die erste sind Personalverstär
kungen. So schaffen Bund und
Länder zum Beispiel bei den Si
cherheitsbehörden (inbeson
dere Bundeskriminalamt und
Bundespolizei) jeweils 7500
neue Stellen. Die Länder wer
den bis Ende des Jahres 2021
auch 2000 zusätzliche Stellen
für Richter und Staatsanwälte
schaffen. Zur zweiten Säule ge
hört die Digitalisierung von Po
lizei und Justiz. Die dritte Säule
des Pakts für den Rechtsstaat
sind die dringend notwendigen
Anpassungen im Strafverfah
ren. Hier habe ich mich jetzt
mit der Justizministerin auf
Eckpunkte der Reform geeinigt.
Wie steht es aktuell um die
europäische Zusammenarbeit
in der inneren Sicherheit? Wo
sehen Sie in letzter Zeit Fort-
schritte und wo besteht weiter
Verbesserungsbedarf?
In Zeiten der offenen, digitalen
Gesellschaft und eines gemein
samen Europas ist mir eine
enge europäische Zusammen
arbeit für unsere innere Sicher
heit wichtiger denn je. Hier ist
bereits viel erreicht: Wir haben
mit allen Nachbarstaaten Ab
kommen abgeschlossen, damit
unsere Polizeien grenzüber
schreitend tätig sein können,
zum Beispiel bei der unmittel
baren Verfolgung von Tatver
dächtigen, der Observierung
oder auf gemeinsamer Streife.
Auf europäischer Ebene ist
EUROPOL eine wichtige Infor
mationsplattform für die Mit
gliedstaaten, auch dank ent
scheidender Unterstützung
Deutschlands. So werden kri
minelle Bezüge über Grenzen
hinweg sichtbar. Das dient
auch der Sicherheit der in
Deutschland lebenden Bür
gerinnen und Bürger.
Nichtsdestotrotz muss die
europäische Zusammenarbeit
für die innere Sicherheit weiter
gestärkt werden. Das gilt ins
besondere für den Datenaus
tausch. Ich bin der festen Über
zeugung, dass wir diejenigen
nationalstaatlichen und euro
päischen Systeme, die Sicher
heit, Reisefreiheit und den
legalen Zutritt in den Schen
gen-Raum gewährleisten,
ganzheitlich betrachten müs
sen. Wichtig ist, dass wir wis
sen, wer den Schengen-Raum
betritt, wenn möglich bereits
im Vorfeld. Das braucht ein
deutige Identifizierung und
zwar über Grenzen hinweg.
Informationen, die früher an
den nationalen Grenzen vor
handen waren, müssen heute
europaweit ausgetauscht wer
den. Nur so können wir grenz
überschreitender schwerer
und organisierter Kriminalität,
extremistischer und terroristi
scher Gewalt sowie illegaler
Migration wirkungsvoll ent
gegentreten.
Die EU-Kommission will, dass
die vorübergehenden Kontrol-
len an den Binnengrenzen
schnell eingestellt werden.
Wie sehen Sie die Zukunft
des Schengen-Raums?
Das Bestreben, zu einem Raum
ohne Kontrollen an den Binnen
grenzen zurückzukehren, unter
stütze ich ausdrücklich. Insbe
sondere ein effektiver Außen-
grenzschutz und eine nach
haltige Reduzierung illegaler
Sekundärmigration sind dabei
wichtige Elemente. Derzeit sind
Binnengrenzkontrollen an der
deutsch-österreichischen Land
grenze bis Mitte Mai 2019 an
geordnet. Die Empfehlung der
Europäischen Kommission vom
12. Mai 2017 zu verhältnismäßi
gen Polizeikontrollen und zur
polizeilichen Zusammenarbeit
im Schengen-Raum haben wir
begrüßt, da die Europäische
Kommission die Mitgliedstaaten
aufgefordert hat, von Polizeikon
trollen in den Grenzgebieten im
Rahmen des Schengener Grenz
kodex verstärkt Gebrauch zu
machen. Auch für Deutschland
ist der Schengen-Raummit dem
grenzkontrollfreien Reisen eine
zentrale Säule des europäischen
Einigungsprozesses, die es zu er
halten gilt.
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dbb