dbb magazin 3/2019 - page 21

interview
nung tragen. Mein Ziel ist es,
ein umfassenderes, vielfältige­
res und vor allem effizientes Be­
lastungsausgleichssystem zu
schaffen, das noch über die be­
reits bestehenden Möglichkei­
ten hinausgeht, sowie einen
zeitnahen Freizeitausgleich für
diese besonders belasteten Be­
reiche zu ermöglichen.
Darüber hinaus ist, mit Blick
auf die Digitalisierung, ange-
kündigt, mehr Zeitsouveräni-
tät und mobiles Arbeiten zu
ermöglichen. Was plant der
Bundesinnenminister hier?
Die Flexibilisierung von Arbeits­
zeit und Arbeitsform ist ein ge­
sellschaftlicher Prozess, der aus
unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet werden muss:
Es ist offensichtlich, dass Funk­
tionszeiten anstelle fester Prä­
senzzeiten die Zeitsouveräni­
tät und Arbeitseffizienz des
Einzelnen erhöhen können. Ins­
besondere bei jüngeren Men­
schen dürfte die Möglichkeit
hierzu auch bei der Wahl ihres
Arbeitgebers eine Rolle spielen.
Daher ist das mobile Arbeiten
in den obersten Bundesbehör­
den mittlerweile auch flächen­
deckend eingeführt. In der ge­
samten Bundesverwaltung
schreitet die Einführung voran.
Andererseits ist es nicht immer
im Interesse der Arbeitnehmer,
wenn Arbeitsleben und Privat­
leben sich immer stärker ver­
schränken und dies zur Folge
hat, dass ein Abschalten gar
nicht mehr möglich ist. Und
es bleibt dabei: Manche Pro­
bleme werden einfach schnel­
ler und besser im persönlichen
Gespräch gelöst als durch ei­
nen langen E-Mail-Verkehr.
Deshalb plädiere ich für eine
nur behutsame Lockerung der
Präsenzkultur.
Wann können die Beschäftigten
mit der im Koalitionsvertrag
vereinbarten Novelle des Bun-
despersonalvertretungsgesetzes
rechnen und wie weitreichend
sollen die Anpassungen des seit
1974 imWesentlichen unange-
tasteten Regelwerks werden?
Ich plane, demnächst Eckpunkte
zur Novellierung des Bundes­
personalvertretungsgesetzes
vorzulegen. Ich rechne aber mit
einem längeren Gesetzgebungs­
verfahren. Bei der Novelle sind
die unterschiedlichen Interes­
sen der Beteiligten intensiv zu
erörtern, was einige Zeit in An­
spruch nehmen wird. Außerdem
muss die seit 1974 ergangene
Rechtsprechung in die Novelle
einfließen. Nachdem dieses Ge­
setz für die Personalvertretun­
gen und die Beschäftigten im
öffentlichen Dienst, aber auch
für die Dienststellen besondere
Bedeutung hat, ist mir eine
gründliche Aufarbeitung des
Themas wichtig.
Im Sommer haben Sie im Inter-
view mit dem dbb magazin auf
den Pakt für den Rechtsstaat
verwiesen, mit dem im Koali­
tionsvertrag der Bundesregie-
rung auch neue Stellen für die
Justiz vereinbart wurden. Bund
und Länder haben hier aber im-
mer noch keine Einigung über
die Finanzierung erzielt. Woran
hapert es?
Wir haben am 31. Januar 2019 in
der Konferenz der Bundeskanz­
lerin mit den Ministerpräsiden­
ten, an der auch ich teilgenom­
men habe, zum Pakt für den
Rechtsstaat Einigkeit erzielt. Der
Pakt besteht aus drei Säulen:
Die erste sind Personalverstär­
kungen. So schaffen Bund und
Länder zum Beispiel bei den Si­
cherheitsbehörden (inbeson­
dere Bundeskriminalamt und
Bundespolizei) jeweils 7500
neue Stellen. Die Länder wer­
den bis Ende des Jahres 2021
auch 2000 zusätzliche Stellen
für Richter und Staatsanwälte
schaffen. Zur zweiten Säule ge­
hört die Digitalisierung von Po­
lizei und Justiz. Die dritte Säule
des Pakts für den Rechtsstaat
sind die dringend notwendigen
Anpassungen im Strafverfah­
ren. Hier habe ich mich jetzt
mit der Justizministerin auf
Eckpunkte der Reform geeinigt.
Wie steht es aktuell um die
europäische Zusammenarbeit
in der inneren Sicherheit? Wo
sehen Sie in letzter Zeit Fort-
schritte und wo besteht weiter
Verbesserungsbedarf?
In Zeiten der offenen, digitalen
Gesellschaft und eines gemein­
samen Europas ist mir eine
enge europäische Zusammen­
arbeit für unsere innere Sicher­
heit wichtiger denn je. Hier ist
bereits viel erreicht: Wir haben
mit allen Nachbarstaaten Ab­
kommen abgeschlossen, damit
unsere Polizeien grenzüber­
schreitend tätig sein können,
zum Beispiel bei der unmittel­
baren Verfolgung von Tatver­
dächtigen, der Observierung
oder auf gemeinsamer Streife.
Auf europäischer Ebene ist
EUROPOL eine wichtige Infor­
mationsplattform für die Mit­
gliedstaaten, auch dank ent­
scheidender Unterstützung
Deutschlands. So werden kri­
minelle Bezüge über Grenzen
hinweg sichtbar. Das dient
auch der Sicherheit der in
Deutschland lebenden Bür­
gerinnen und Bürger.
Nichtsdestotrotz muss die
europäische Zusammenarbeit
für die innere Sicherheit weiter
gestärkt werden. Das gilt ins­
besondere für den Datenaus­
tausch. Ich bin der festen Über­
zeugung, dass wir diejenigen
nationalstaatlichen und euro­
päischen Systeme, die Sicher­
heit, Reisefreiheit und den
legalen Zutritt in den Schen­
gen-Raum gewährleisten,
ganzheitlich betrachten müs­
sen. Wichtig ist, dass wir wis­
sen, wer den Schengen-Raum
betritt, wenn möglich bereits
im Vorfeld. Das braucht ein­
deutige Identifizierung und
zwar über Grenzen hinweg.
Informationen, die früher an
den nationalen Grenzen vor­
handen waren, müssen heute
europaweit ausgetauscht wer­
den. Nur so können wir grenz­
überschreitender schwerer
und organisierter Kriminalität,
extremistischer und terroristi­
scher Gewalt sowie illegaler
Migration wirkungsvoll ent­
gegentreten.
Die EU-Kommission will, dass
die vorübergehenden Kontrol-
len an den Binnengrenzen
schnell eingestellt werden.
Wie sehen Sie die Zukunft
des Schengen-Raums?
Das Bestreben, zu einem Raum
ohne Kontrollen an den Binnen­
grenzen zurückzukehren, unter­
stütze ich ausdrücklich. Insbe­
sondere ein effektiver Außen-
grenzschutz und eine nach­
haltige Reduzierung illegaler
Sekundärmigration sind dabei
wichtige Elemente. Derzeit sind
Binnengrenzkontrollen an der
deutsch-österreichischen Land­
grenze bis Mitte Mai 2019 an­
geordnet. Die Empfehlung der
Europäischen Kommission vom
12. Mai 2017 zu verhältnismäßi­
gen Polizeikontrollen und zur
polizeilichen Zusammenarbeit
im Schengen-Raum haben wir
begrüßt, da die Europäische
Kommission die Mitgliedstaaten
aufgefordert hat, von Polizeikon­
trollen in den Grenzgebieten im
Rahmen des Schengener Grenz­
kodex verstärkt Gebrauch zu
machen. Auch für Deutschland
ist der Schengen-Raummit dem
grenzkontrollfreien Reisen eine
zentrale Säule des europäischen
Einigungsprozesses, die es zu er­
halten gilt.
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