schon zehn Jahre angehörte.
Wir haben beschlossen, wir
entwickeln einen entsprechen
den Gesetzentwurf und ziehen
damit in die politische Land
schaft. Aber wo wir hinkamen
hieß es, unser Vorhaben sei
verfassungswidrig und ver
stoße gegen die hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeam
tentums. Da gehen wir nicht
ran. Selbst in Karlsruhe beim
Bundesverfassungsgericht:
Dort gab es eine einzige Rich
terin, Dr. Erna Scheffler – ihr
habe ich den Fall vorgetragen.
Auch sie wies mich ab mit dem
Argument: Eine Frau, die Kin
der wolle, könne nicht als
Beamtin, als Richterin in den
öffentlichen Dienst gehen, da
sie ja wisse, dass sie dort Voll
zeit arbeiten, dass sie durchar
beiten müsse. Schließlich habe
ich mich an eine Kollegin aus
dem djb gewandt, eine FDP-
Bundestagsabgeordnete. Ge
meinsam haben wir Frauen
aus allen Fraktionen ermutigt,
den Antrag zu unterstützen.
Und schon 1968, zwei Jahre
später, stand es im Bundes
gesetzblatt. Heute dauert so
etwas mindestens acht bis
zehn Jahre!
Wenn es um die Gleichberech
tigung von Mann und Frau in
Deutschland geht, dann wird
heute gern der Satz bemüht:
Wir haben kein Erkenntnispro-
blem, sondern ein Umsetzungs-
problem. Stimmen Sie dem zu?
Das ist richtig. Wir haben ge
nau dies zur Grundlage der
Gemeinsamen Verfassungs
kommission gemacht, die An
fang der 1990er-Jahre mit
den im Zuge der deutschen
Wiedervereinigung aufgewor
fenen Fragen zur Änderung
beziehungsweise Ergänzung
des Grundgesetzes befasst
war, und der ich angehört
habe. Wir haben damals ge
sagt, wir haben die Gleichbe
rechtigung seit 1949 in der
Verfassung und es hat sich
auch in der Gleichberechtigung
schon einiges getan. Aber die
Gleichstellung ist nicht er
reicht.
Und hier sind wir bei der Um
setzung. Deswegen haben wir
vier Frauen – vier Justizminis
terinnen – in der Verfassungs
kommission dafür gesorgt,
dass der Gleichstellungsauf
trag des Staates, die Gleichbe
rechtigung tatsächlich durch
zusetzen und bestehende
Benachteiligungen zu besei
tigen, heute in der Verfassung
steht. Wir haben um jedes
Wort gerungen.
Warum passiert das nicht? Wo
hakt es bei der Umsetzung des
Gleichstellungsgrundsatzes?
Das ist eine sehr berechtigte
Frage. Und dieses Argument
nutze ich immer, wenn es um
die Frage nach der Besetzung
der Parlamente geht. Kein ein
ziges deutsches Parlament hat
50 Prozent Frauenanteil. Alle,
Länderparlamente und das
Bundesparlament, schwanken
zwischen 25 und 30 Prozent
Frauenanteil. Immer sind die
Frauen in der Minderheit.
Das heißt, die Männer sind
immer in großer Mehrheit,
sodass die Männer über den
Frauenanteil weggehen kön
nen. 25, 30 Prozent muss ich
nicht beachten, wenn ich auf
der anderen Seite 70, 75 Pro
zent der Stimmen habe.
Welche Mittel oder Maßnah-
men helfen aus Ihrer Sicht,
Gleichberechtigung zu ermög
lichen? Brauchen wir weitere
rechtliche Regelungen?
Ich bin fest davon überzeugt,
dass wir eine gesetzliche Rege
lung brauchen, obwohl ich
nicht verkenne, dass es einige
Fraktionen ja auch nach gel
tendemWahlrecht schaffen.
Bündnis 90/Die Grünen, Die
Linke haben über 50 Prozent
und die SPD hat immerhin
40 Prozent weibliche Abgeord
nete im Bundestag.
Diese Parteien sind schon auf
demWeg, während die Kon
servativen sich zwischen 17
und 26 Prozent Frauenanteil
bewegen.
Wie ordnen Sie die aktuelle
Debatte zur Parität im Bundes-
tag ein? Kann Parität in der
Politik überhaupt über ein
Gesetz „verordnet“ werden?
Lassen Sie uns über die Argu
mente reden. Das Wahlrecht
steht nicht in der Verfassung.
Es ist ein einfaches Gesetz, das
ich ändern kann und ändern
muss, wenn die Verfassung es
verlangt. Und da sind wir bei
der Frage: Verlangt es die Ver
fassung? Ich sage: ja und zwar
aufgrund von Art. 3, Abs. 2,
Satz 2 Ergänzung aus 1994.
Wenn der Staat verpflichtet
ist, die tatsächliche Durch
setzung der Gleichberechti
gung herzustellen, um beste
hende Benachteiligungen zu
beseitigen, dann muss er das
tun. Das Argument, es sei so
schwierig, wegen der Zwei-
Stimmen-Regelung im deut
schen Wahlsystem, lasse ich
nicht gelten. In Europa gibt es
über 50 Wahlsysteme, da wird
wohl eines dabei sein, das es
ermöglicht, dass Männer und
Frauen in gleicher Weise auf
gestellt werden.
Wenn Sie das Paritätsproblem
lösen sollten: Wie würden Sie
vorgehen?
Ich würde das Bundeswahlge
setz ändern. Darin verankert
ist das Zwei-Stimmen-Wahl
recht und darin ist geregelt,
wer das Recht hat, Kandida
tinnen beziehungsweise Kan
didaten aufzustellen. An der
Stelle muss man drängen und
sagen, von jetzt ab machen
wir es anders. Brandenburg ist
hier vorangegangen und es
gibt Diskussionen dazu auf
allen Ebenen, und die muss
es auch geben.
In welcher Verantwortung
sehen Sie hier die Gewerk
schaften bei der Umsetzung
der Gleichstellung?
Ich habe mich oft gefragt,
welche Rolle hier die Gewerk
schaften einnehmen. Ich bin
selbst Gewerkschaftsmitglied
und hier absolut solidarisch.
Aber ich habe an vielen Stel
len die Arbeit der Gewerk
schaft vermisst, insbesondere
bei der Durchsetzung der Ent
geltgleichheit. Auch innerhalb
der Gewerkschaften könnte
sehr viel mehr gemacht wer
den, indemman sagt, wir sind
nach Art. 3, Abs. 2, Satz 2 ver
pflichtet, die Gleichstellung
herzustellen.
Also stellen wir aussichtsrei
che Frauen auf aussichtsreiche
Posten, auf die wir bisher
Männer gestellt haben und
zwar immer nach dem Reiß
verschlussprinzip. Die Männer
darf man dabei nicht verges
sen. Das kann jede Institution
und damit auch jede Gewerk
schaft, die genügend Auswahl
in ihrer Mitgliedschaft hat.
Das Gespräch führte
Birgit Strahlendorff.
frauen
dbb
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dbb magazin | März 2019
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