dbb magazin 3/2019 - page 34

nachgefragt
„Nur nehmen, aber nicht geben wollen,
würde nicht funktionieren“
Europäische Haushaltspolitik in Zeiten des Brexit, Destabilisierungsversuche von außen und wieder­
erstarkendes nationalstaatliches Denken: Die Zukunft der Europäischen Union hängt so stark wie nie
zuvor vomWillen der Europäer ab, das Erfolgmodell vor den ewig Gestrigen zu retten. Die Europa­
abgeordnete Monika Hohlmeier hofft auf ein handlungsfähiges Parlament nach der Europawahl.
Die EU verhandelt über ihren
neuen mehrjährigen Finanz-
rahmen. Warum wird ein sol-
cher Rahmen für die jährlichen
Haushalte aufgestellt? Worum
geht es da genau?
Der mehrjährige Finanzrahmen
(MFR) legt die Obergrenzen für
die jährlichen Ausgaben fest
und will gewährleisten, dass
die Ausgaben eine geordnete
Entwicklung nehmen. Der der­
zeitige MFR gilt für die Jahre
2014 bis 2020, der neue für den
Zeitraum 2021 bis 2027. Er um­
fasst für die geltenden sieben
Jahre 960 Milliarden Euro an
Verpflichtungen, was einem
Prozent des Bruttonationalein­
kommens (BNE) entspricht und
908 Milliarden Euro Zahlungen,
also 0,95 Prozent des BNE. Die
fünf Schwerpunktbereiche des
derzeitigen MFR sind Wettbe­
werbsfähigkeit für Wachstum
und Beschäftigung (in 2018
13,7 Prozent), wirtschaftlicher,
sozialer und territorialer Zu­
sammenhalt (2018 34,7 Pro­
zent), nachhaltiges Wachstum,
natürliche Ressourcen (2018 37
Prozent), Sicherheit und Uni­
onsbürgerschaft (2018 zwei
Prozent) sowie Europa in der
Welt (2018 sechs Prozent).
Für den Jahreshaushalt 2019
sind etwa 165 Milliarden Euro
Verpflichtungen und knapp
149 Milliarden Euro Zahlungen
verabschiedet worden. Der
Europäische Haushalt ist im
Schwerpunkt ein Investitions­
haushalt, das heißt, der Groß­
teil der Mittel fließt in Investiti­
onen, Forschung undWirtschaft.
Die Verwaltung aller Bereiche
umfasst mit insgesamt rund
60000 Beschäftigten sechs
Prozent des Haushalts. Zum
Vergleich: Der Bundeshaushalt
umfasst für das Jahr 2019 356,4
Milliarden Euro und nur rund
elf Prozent davon fließen in In­
vestitionen. Bei den Verhand­
lungen für den künftigen MFR
geht es nun um eine Neueintei­
lung der Aufgabenfelder und
die Veränderung der Schwer­
punkte innerhalb dieser.
Zukünftig soll es sieben Berei­
che geben, die die Entwicklun­
gen in den Gebieten Innovati­
on, Wirtschaft, Umwelt und
Geopolitik widerspiegeln. Her­
vorzuheben ist die Stärkung des
Gebietes Innovation und For­
schung durch das Programm
„Horizon Europe“, der stärke-
re Schutz der europäischen
Außengrenzen mithilfe der
Grenzschutzagentur Frontex
und eine verstärkte Zusammen­
arbeit im Bereich Verteidigung.
Gleichzeitig sollen die Mittel für
die Gemeinsame Agrarpolitik
und den Bereich Kohäsion teil­
weise umgeschichtet werden.
Der Schwerpunkt in der Agrar­
politik bleibt aber auf der nach­
haltigen Produktion gesunder
Lebensmittel.
Die Verhandlungen gelten die-
ses Mal als besonders schwie-
rig. Woran liegt das?
Das große Problem dieses Jahr
ist der Brexit. Eigentlich hatte
Großbritannien fest zugesagt,
seinen Verpflichtungen aus
dem jetzigen MFR vollständig
nachzukommen. Sollte es aber
zu einem ungeregelten Austritt
kommen, ist nicht klar, ob und
in welchem Ausmaß Großbri­
tannien seinen finanziellen
Pflichten nachkommt oder ob
das Land Rechtsbruch begehen
wird. Eine solche Situation hat
es noch nie gegeben – ich hof­
fe, dass dieses „Worst-Case-
Szenario“ auch nicht eintreten
wird, aber ausschließen kann
man derzeit nichts mehr. Diese
Unsicherheit trifft auch briti­
sche Firmen, Forscher und Uni­
versitäten, die nicht wissen, ob
sie noch Anspruch auf EU-För­
dergelder aus bereits beste­
henden Programmen haben. Es
ist daher im Interesse Großbri­
tanniens, eine schnelle Lösung
mit seinen europäischen Part­
nern zu finden. Ein zweites
Thema sind die Neuausgaben
?
nachgefragt bei ...
... Monika Hohlmeier, Mitglied des Haushaltsausschusses
des Europäischen Parlaments zur Haushaltspolitik
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Monika Hohlmeier
© CSU
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