nachgefragt
durch zusätzliche und erwei
terte Aufgaben. Es muss erst
verhandelt werden, in welcher
Größenordnung der europäi
sche Außengrenzenschutz,
Ausgaben für die Entwick
lungshilfe oder gemeinsame
Verteidigungsprojekte berück
sichtigt werden.
Deutschland hat sich früh be-
reit erklärt, mehr einzuzahlen
als bisher, um die britischen
Beiträge teilweise auszuglei-
chen. Wie wirkt sich diese
Bereitschaft auf die Verhand-
lungen aus?
Derzeit wissen wir nicht, wie
viel Deutschland letztendlich
in den künftigen MFR einzah
len wird. In Berlin ist man sich
aber bewusst, wie wichtig ein
starkes Europa ist. Wir profitie
ren überproportional vom eu
ropäischen Binnenmarkt: Fast
59 Prozent unserer Exporte ge
hen direkt in andere EU-Mit
gliedstaaten; bei den Importen
haben wir mit knapp über 57
Prozent fast gleiche Zahlen.
Wir haben die größte Volks
wirtschaft in der EU und im
Vergleich zu anderen Staaten,
beispielsweise in Süd- und Ost
europa, sind wir recht wohlha
bend. Wir profitieren zudem
massiv von den in Brüssel ver
handelten Freihandelsabkom
men mit Drittstaaten. Als
Land, das in solchemMaß vom
gemeinsamen Binnenmarkt
und der europäischen Gemein
schaft profitiert, zahlen wir zu
recht auch mehr ein. Nur neh
men, aber nicht geben wollen,
würde nicht funktionieren. Wir
fördern damit den Zusammen
halt und sorgen dafür, dass un
ser wichtigster Absatzmarkt,
von dem viele Arbeitsplätze
abhängen, stabil bleibt.
Wo sollte im EU-Haushalt ge-
spart werden? Wo sollte mehr
ausgegeben werden?
Der EU-Haushalt finanziert eine
Vielzahl von Programmen, die
einen Mehrwert für unsere Bür
gerinnen und Bürger schaffen
und adäquat gefördert werden
müssen. Dazu gehören Pro
gramme zur Förderung von
neuen Schlüsseltechnologien,
wie zum Beispiel künstliche
Intelligenz, Krebsforschung,
europäische Kommunikations
satelliten, emissionsärmere
Flugzeuge oder die sichere und
nachhaltige Lebensmittelpro
duktion. Mehrausgaben muss
es zudem für das Austauschpro
gramm Erasmus+, mit verstärk
tem Blick auch für Auszubilden
de, sowie die Finanzierung von
Bildungsreisen von über 18-Jäh
rigen mithilfe des Interrail-Tickets geben.
Mir ist es eine Herzensangele
genheit, dass so viele junge
Menschen wie möglich die
Vielfalt Europas als Bereiche
rung und nicht als Bedrohung
kennenlernen. Bei Program
men, die ihr Ziel nicht errei
chen oder keine Akzeptanz
finden, muss der Rotstift ange
setzt werden. Dazu gehören
die Heranführungsgelder für
die Türkei. Ein Land, das die
Rechtstaatlichkeit massiv ab
baut und wahllos Journalisten
verhaftet, hat keinen Anspruch
auf unsere finanzielle Unter
stützung. Allgemein sollte man
beim EU-Haushalt aber nicht
nur ans Sparen denken, son
dern mehr an die effizientere
Verwendung der Gelder, um
mit den vorhandenen Mitteln
den größtmöglichen Nutzen zu
erzielen.
Warum kann die EU keine
eigenen Steuern erheben?
Die Steuerhoheit liegt bei den
Mitgliedstaaten. Beim Thema
Steuern sind die Möglichkeiten
der Europäischen Union und
des Parlaments daher be
grenzt. Der Plan, Eigenmittel
für den EU-Haushalt zu gene
rieren, ist aber ein spannendes
Thema. Es gibt beispielsweise
die Idee, eine Steuer auf die
Umsätze oder Gewinne von
Digitalriesen wie Facebook
und Google zu erheben. Diese
Unternehmen zahlen nach wie
vor deutlich niedrigere Steuern
als Unternehmen klassischer
Branchen, profitieren aber
massiv vom Europäischen
Binnenmarkt. Gleichzeitig
drängen sie kleineren Mitglied
staaten ihre Steuervorstellun
gen auf. Die Kommission muss
hier einschreiten und die Ein
haltung von Regeln der Steuer
fairness sicherstellen.
Welchen konkreten Mehrwert
bringt Europa für den Kampf
gegen Steuerbetrug und -ver-
meidung?
Als Parlament fokussieren wir
unsere Arbeit auf die Steuer
themen, die zum reibungslo
sen Funktionieren des Binnen
markts beitragen. Ein wesent-
licher Bestandteil ist dabei der
Kampf gegen Steuerhinterzie
hung und Steuervermeidung.
Es muss in unser aller Interesse
liegen, dass jeder seinen fairen
Anteil bezahlt. Den Mitglied
staaten der EU sind aufgrund
von Steuerbetrug und man
gelnder Steuereintreibung
2016 geschätzte 147,1 Milliar
den Euro an Mehrwertsteuer-
einnahmen entgangen. Eine
wichtige Rolle soll hier zukünf
tig die Europäische Staatsan
waltschaft übernehmen. Bei
grenzüberschreitend rechts
widrigen Praktiken soll sie ein
schreiten und nicht geahndete
Steuervergehen in den Mit
gliedstaaten verfolgen.
Eine wichtige Aufgabe wird
auch die Untersuchung und
Verfolgung von Straftaten wie
der Missbrauch von EU-Förder
geldern sein. Von großer Be
deutung beim Thema Steuern
ist auch die Generaldirektion
für Wettbewerb der Europäi
schen Kommission, die in den
letzten Jahren verstärkt gegen
große amerikanische IT-Unter
nehmen vorgeht, die glauben,
sich nicht an die Regeln halten
zu müssen. Ich möchte hier das
Steuerabkommen zwischen
Irland und Apple erwähnen,
das in der Zwischenzeit für
rechtswidrig befunden wurde
und das Unternehmen 14 Mil
liarden Euro kosten wird.
Wie wird das Europäische
Parlament nach der Wahl
aussehen?
Das Wichtigste ist, dass so viele
Bürgerinnen und Bürger wie
möglich am 26. Mai zur Europa
wahl gehen, um ihre Stimme
demokratisch gesinnten Partei
en zu geben. Denn jede Stimme
bewegt etwas in Europa und
gerade heute ist jede Stimme
wichtiger als jemals zuvor. Lei
der beobachten wir in vielen
Ländern ein Erstarken extremer
politischer Lager, die zu mei
nem Entsetzen wohl auch aus
Russland und den USA unter
stützt werden, um die EU zu
destabilisieren. Geschlossenes
Handeln der EU-Partnerstaaten
macht uns aber stark gegen un
faire Handelspraktiken, gegen
erpresserische Vereinnahmung,
gegen militärischen Druck. Ich
hoffe, dass viele das ebenso se
hen, damit wir nach der Wahl
ein handlungsfähiges Europäi
sches Parlament haben wer
den.
Welches Zukunftsszenario
wünschen Sie sich für die
Europäische Union?
Mein Vater Franz Josef Strauß
sagte: „Bayern ist unsere Hei
mat, Deutschland unser Vater
land und Europa unsere Zu
kunft.“ Europa lebt von der
Vielfalt seiner Bürgerinnen und
Bürger, den unterschiedlichen
Traditionen und Denkweisen,
regionalen Eigenheiten und Ge
bräuchen. Ich wünsche mir ein
Europa, das diese Vielfalt be
wahrt, sich aber gleichzeitig be
wusst ist, dass wir im 21. Jahr
hundert nur gemeinsamen
stark genug sind, diese Vielfäl
tigkeit aufrechtzuerhalten. De
mokratie, Meinungsfreiheit,
Rechtsstaatlichkeit und Men
schenrechte sind europäische
Werte, die wir alle als unum
stößliche Teile unseres gesell
schaftlichen Lebens anerken
nen. Diese Werte und Freiheiten
gilt es zu verteidigen, damit wir
weiterhin unsere Traditionen
leben können und unsere Inte
ressen gewahrt werden.
Das Interview erschien zuerst
in den dbb europathemen:
35
dbb
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dbb magazin | März 2019