dbb magazin 3/2019 - page 18

die andere meinung
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Der Autor .
… berichtet für das Handels­
blatt aus Berlin über die
Themen Arbeitsmarkt und
Gewerkschaften.
Der öffentliche Dienst verdient mehr Wertschätzung
Keine Krokodilstränen mehr!
Viel wurde in den zurückliegenden Wochen über den Staat diskutiert. Über eine Erneuerung
des Sozialstaatsversprechens. Über eine Renaissance des starken Staats in der Inneren
Sicherheit. Über verloren gegangenes Vertrauen in den Staat und seine Institutionen,
das den Populisten bei der anstehenden Europawahl und den Landtagswahlen im Osten
wahrscheinlich weiter Zulauf bringt. Wenn aber Politiker jetzt diese Zustände beklagen,
vergießen sie dabei viele Krokodilstränen.
Denn es war die Politik, die den
öffentlichen Dienst über Jahre
als Spardose der Nation miss­
braucht hat. Dass Lehrer vor
den Sommerferien entlassen
und danach wieder eingestellt
werden, ist der „Bildungsrepu­
blik Deutschland“ unwürdig.
Bei der Polizei hat ein jahrelan­
ger Sparkurs mit dazu geführt,
dass der Staat nicht mehr als
Freund und Helfer wahrge­
nommen wird, sondern oft
als schlicht abwesend.
Dass der auf Effizienz getrimm­
te öffentliche Nahverkehr Ver­
bindungen zwischen kleinen
Dörfern einstellen musste, trug
mit zur Verödung des ländli­
chen Raums bei, den die Politik
inzwischen in jeder Sonntags­
rede beklagt. Und dass Ein­
wohner in Städten wie Berlin
wochenlang auf einen Termin
beim Amt warten müssen, hat
mit propagierter Bürgernähe
der öffentlichen Verwaltung
nun wahrlich nichts mehr zu
tun.
Reichlich spät setzt deshalb
nun ein Umdenken ein. Die
weit verbreitete Auffassung,
dass der Markt schon alles
besser und vor allem billiger
regeln wird – zum Nutzen der
Bürger wie der Staatskassen
– hat sich als Irrglaube erwie­
sen. Auch bei der Politik ist an­
gekommen, dass der Bürger in
Zeiten wachsender Unsicher­
heit und Ungewissheit den
starken Staat wieder schätzen
lernt – und dafür auch zu zah­
len bereit ist. Nur eine deutli­
che Minderheit der Deutschen
hält den öffentlichen Dienst
heute noch für zu teuer.
Ablesen lässt sich das Umden­
ken etwa an der Bereitschaft
der Arbeitgeber, differenzierte
Tarifverträge zu schließen, die
dem öffentlichen Dienst wie­
der eine bessere Ausgangs­
position imWettstreit mit der
Privatwirtschaft um begehrte
Fachkräfte sichern. An der ge­
planten Modernisierung der
Besoldungsstruktur beim
Bund, mit der unter anderem
besondere Einsatzbereitschaft
anerkannt werden soll. An der
Tatsache, dass selbst Themen
wie die von den Beamten be­
klagte 41-Stunden-Woche in­
zwischen für die Regierenden
kein Tabu mehr sind.
Dies soll jetzt kein Plädoyer für
eine Rückkehr in die Zeiten von
Bundespost und Bundesbahn
sein. Mit einem aufgeblähten
Staatswesen ist den Bürgen
ebenso wenig gedient wie
mit einem kaputtgesparten –
schon weil künftige Generatio­
nen die immer weiter steigen­
den Pensionslasten tragen
müssen. Und dass der Staat
nicht zwangsläufig der bessere
Unternehmer ist, haben der
Berliner Flughafen oder die
Verspätungs-Bahn zur Genüge
bewiesen.
Aber da, wo es für die Sicher­
heit und die Zukunftsfähigkeit
Deutschlands entscheidend
wird, braucht der öffentliche
Dienst unbedingt das verspro­
chene zusätzliche Personal und
mehr Geld: bei der Polizei und
den Gerichten, in den Schulen
und Hochschulen, in den öf­
fentlichen Verwaltungen. Hier
muss der Staatsdienst wieder
attraktiver für den Berufsnach­
wuchs gemacht werden, allein
um die anstehende Pensionie­
rungswelle abfedern zu kön­
nen.
Das wird nicht leicht, denn es
ist in diesen Tagen nicht immer
eine Freude, Staatsdiener zu
sein. Polizisten müssen sich
mit Kot bewerfen, Lehrer an
den weltanschaulichen Pran­
ger stellen lassen. Feuerwehr­
leute und Sanitäter werden bei
Einsätzen behindert und sogar
bedroht. Es war höchste Zeit,
dass die Politik hier mit einer
Verschärfung des Strafrechts
reagiert hat. Wer für den Staat
den Kopf hinhält, kann erwar­
ten, dass der Staat sich auch
schützend vor ihn stellt.
Übergriffe auf Polizisten oder
Sanitäter sind Ausdruck einer
zunehmenden Verrohung der
Sitten. Die politische Auseinan­
dersetzung nimmt an Schärfe
zu, Kritik am „System“ ist selbst
im Bundestag salonfähig ge­
worden. In diesen Zeiten ist es
gut, einen unbestechlichen und
politisch neutralen Apparat zu
haben, der den Laden am Lau­
fen hält, auch wenn Deutsch­
land über Monate regierungs­
los ist.
„Der Staatsdienst muss zum
Nutzen derer geführt werden,
die ihm anvertraut sind, nicht
zum Nutzen derer, denen er an­
vertraut ist“, wusste schon der
römische Staatsmann Cicero.
Der Grundsatz bleibt richtig.
Aber jene, denen der Staats­
dienst anvertraut ist, sind
über Jahre zu kurz gekommen.
Heute können sie mit neuem
Selbstbewusstsein auftreten,
getreu demMotto „Wir sind
wieder wer“. Der öffentliche
Dienst hat wieder mehr Wert­
schätzung verdient – von der
Politik, aber auch von uns
Bürgern.
Frank Specht
© Colourbox.de
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