reportage
es eine „großartige Erfahrung“
gewesen, aus der sich zudem
über Jahre währende Freund
schaften entwickelt hätten.
Und weil Bülles so zur regel
rechten Europa-Euphorikerin
wurde, machte sie sich – auch
das erlaubt die Europa-Aus
tausch-Politik der Stadtverwal
tung – bereits ein zweites und
drittes Mal auf in ein EU-Nach
barland: Wie Jana Deigraf hos
pitierte sie in Reykjavik und zu
letzt, im November 2018, ging
es im Rahmen von „EurOpen“
gemeinsammit Bonnerinnen
und Bonnern aus dem Sozial
amt, dem Ausländeramt, dem
Sozialen Dienst und dem Schul
amt in die italienische Provinz
Veneto nach Vicenza. Thema:
Inklusion. „Das war volles Pro
gramm, ein wahnsinniger In
put“, erinnert sich Bülles, die
selbst Sozialpädagogin ist und
beim Internen Sozialen Dienst
der Bonner Stadtverwaltung
arbeitet. „Im Vergleich der Sozi
alsysteme fällt auf, dass in Itali
en die soziale Unterstützung
sehr stark auf das ehrenamtli
che und gesellschaftliche Enga
gement aufbaut, während es in
Deutschland als kommunale
Pflichtaufgabe formuliert ist“,
berichtet Bülles. Vielfach seien
soziale Probleme in Italien bis
her vor allem durch die Famili
en aufgefangen worden, doch
aktuell befände sich dieses
Modell im Umbruch: „Die Fami
lienbasis bricht immer mehr
weg, sodass sich das italieni
sche Sozialsystemmit neuen
Herausforderungen konfron
tiert sieht. Es war schön zu er
leben, wie wissbegierig die ita
lienischen Kollegen in diesem
Zusammenhang mit Blick auf
unser Sozialsystem waren, und
gleichzeitig spannend für uns,
welche Modelle sie für die Zu
kunft in Betracht ziehen und
entwickeln.“ Natürlich seien
die EU-Praktika und „EurOpen“-
Hospitationen stets auch poli
tische Besuche, sagt Bülles.
„Nicht, dass wir da mit wehen
den Fahnen auftreten und un
sere Meinung rausposaunen.
Es sind vielmehr die Gespräche,
die man dann zwischendurch
oder etwa beim Abendessen
führt. Da geht es zwangsläufig
um die aktuellen politischen
Entwicklungen. Na klar gibt es
da sehr unterschiedliche Mei
nungen, aber wir halten das als
Menschen, als Kollegen aus
und trinken trotzdem unseren
Wein zusammen. Das entzweit
uns nicht, sondern stärkt uns
und unseren Zusammenhalt.“
Gerne erinnert sie sich an ihr
erstes EU-Praktikum in Graz
zurück, an eine Situation, die
für sie exemplarisch den Wert
des europaweiten Dialogs im
Wege der gegenseitigen Prak
tika und Austausche deutlich
macht: Nach einem Festakt
zum 70-jährigen Ende des
Zweiten Weltkriegs stand Bül
les in Graz mit Bürgermeister
Siegfried Nagl beim Small Talk
über den EU-Austausch zu
sammen. „Der Bürgermeister
zeigte auf sich und mich und
alle anderen Leute im Raum
und sagte: Das hier ist Europa,
Frau Bülles. Sie und ich, und
all die Menschen hier.“ Bülles:
„Das heißt, wir müssen zusam
menkommen, aufeinander
zugehen, uns miteinander be
schäftigen. Als Menschen, als
Kollegen. Wenn wir wissen,
wer Europa ist, verstehen wir
auch, was Europa wirklich
heißt und welche Chancen
es uns bietet.“
Britta Ibald
Diese Reportage erschien zuerst im
dbb jugend Magazin t@cker-online.
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Viel gesehen, viel gelernt: Die Bonner Europa-Praktikantinnen Kirsten Bülles (Graz, Reykjavik, Vicenza), Kimberly
Lausch (Graz) und Jana Deigraf (Reykjavik) sind große Fans des Europa-Austauschs ihrer Stadtverwaltung (von links).
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„EurOpen“: Bei den fachbezogenen Gruppenaufenthal
ten der Bonner bei den EU-Nachbarn geht es immer
um Schwerpunktthemen, beispielsweise Digitalisie
rung, Bürgerservice, Verkehrsinfrastruktur oder, wie
hier im italienischen Vicenza, Inklusion.
© Britta Ibald
© Stadt Bonn
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dbb magazin | Mai 2019