dbb magazin 5/2019 - page 33

reportage
es eine „großartige Erfahrung“
gewesen, aus der sich zudem
über Jahre währende Freund­
schaften entwickelt hätten.
Und weil Bülles so zur regel­
rechten Europa-Euphorikerin
wurde, machte sie sich – auch
das erlaubt die Europa-Aus­
tausch-Politik der Stadtverwal­
tung – bereits ein zweites und
drittes Mal auf in ein EU-Nach­
barland: Wie Jana Deigraf hos­
pitierte sie in Reykjavik und zu­
letzt, im November 2018, ging
es im Rahmen von „EurOpen“
gemeinsammit Bonnerinnen
und Bonnern aus dem Sozial­
amt, dem Ausländeramt, dem
Sozialen Dienst und dem Schul­
amt in die italienische Provinz
Veneto nach Vicenza. Thema:
Inklusion. „Das war volles Pro­
gramm, ein wahnsinniger In­
put“, erinnert sich Bülles, die
selbst Sozialpädagogin ist und
beim Internen Sozialen Dienst
der Bonner Stadtverwaltung
arbeitet. „Im Vergleich der Sozi­
alsysteme fällt auf, dass in Itali­
en die soziale Unterstützung
sehr stark auf das ehrenamtli­
che und gesellschaftliche Enga­
gement aufbaut, während es in
Deutschland als kommunale
Pflichtaufgabe formuliert ist“,
berichtet Bülles. Vielfach seien
soziale Probleme in Italien bis­
her vor allem durch die Famili­
en aufgefangen worden, doch
aktuell befände sich dieses
Modell im Umbruch: „Die Fami­
lienbasis bricht immer mehr
weg, sodass sich das italieni­
sche Sozialsystemmit neuen
Herausforderungen konfron­
tiert sieht. Es war schön zu er­
leben, wie wissbegierig die ita­
lienischen Kollegen in diesem
Zusammenhang mit Blick auf
unser Sozialsystem waren, und
gleichzeitig spannend für uns,
welche Modelle sie für die Zu­
kunft in Betracht ziehen und
entwickeln.“ Natürlich seien
die EU-Praktika und „EurOpen“-
Hospitationen stets auch poli­
tische Besuche, sagt Bülles.
„Nicht, dass wir da mit wehen­
den Fahnen auftreten und un­
sere Meinung rausposaunen.
Es sind vielmehr die Gespräche,
die man dann zwischendurch
oder etwa beim Abendessen
führt. Da geht es zwangsläufig
um die aktuellen politischen
Entwicklungen. Na klar gibt es
da sehr unterschiedliche Mei­
nungen, aber wir halten das als
Menschen, als Kollegen aus
und trinken trotzdem unseren
Wein zusammen. Das entzweit
uns nicht, sondern stärkt uns
und unseren Zusammenhalt.“
Gerne erinnert sie sich an ihr
erstes EU-Praktikum in Graz
zurück, an eine Situation, die
für sie exemplarisch den Wert
des europaweiten Dialogs im
Wege der gegenseitigen Prak­
tika und Austausche deutlich
macht: Nach einem Festakt
zum 70-jährigen Ende des
Zweiten Weltkriegs stand Bül­
les in Graz mit Bürgermeister
Siegfried Nagl beim Small Talk
über den EU-Austausch zu­
sammen. „Der Bürgermeister
zeigte auf sich und mich und
alle anderen Leute im Raum
und sagte: Das hier ist Europa,
Frau Bülles. Sie und ich, und
all die Menschen hier.“ Bülles:
„Das heißt, wir müssen zusam­
menkommen, aufeinander
zugehen, uns miteinander be­
schäftigen. Als Menschen, als
Kollegen. Wenn wir wissen,
wer Europa ist, verstehen wir
auch, was Europa wirklich
heißt und welche Chancen
es uns bietet.“
Britta Ibald
Diese Reportage erschien zuerst im
dbb jugend Magazin t@cker-online.
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Viel gesehen, viel gelernt: Die Bonner Europa-Praktikantinnen Kirsten Bülles (Graz, Reykjavik, Vicenza), Kimberly
Lausch (Graz) und Jana Deigraf (Reykjavik) sind große Fans des Europa-Austauschs ihrer Stadtverwaltung (von links).
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„EurOpen“: Bei den fachbezogenen Gruppenaufenthal­
ten der Bonner bei den EU-Nachbarn geht es immer
um Schwerpunktthemen, beispielsweise Digitalisie­
rung, Bürgerservice, Verkehrsinfrastruktur oder, wie
hier im italienischen Vicenza, Inklusion.
© Britta Ibald
© Stadt Bonn
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