arbeit der zukunft
re:publica 2019: Aus- und Ansichten zur Arbeit der Zukunft
It’s the end of the work as we know it …
. das ist das Ende der Arbeit, wie wir sie kennen: In Anlehnung an den bittersüßen Endzeit-Song
der US-Band R.E.M., den mittlerweile legendären Soundtrack für alle Arten von Desastern („It’s the
End of the World as We Know It“) betitelte Ansgar Oberholz seinen Beitrag Anfang Mai 2019 auf der
re:publica in Berlin. Das große Thema Neue Arbeit bildete einen Schwerpunkt dieser Konferenz, die
weltweit zu den wichtigsten Kommunikationsplattformen der Digitalgesellschaft zählt.
Oberholz betreibt in Berlin ein
international bekanntes Crea
tive Hub, das als Meilenstein in
der Geschichte des Coworking
angesehen wird und sagt:
„Nicht nur Arbeitszeiten und
Arbeitsorte werden in Zukunft
anders definiert und gestaltet
sein. Die ganze Aura der Arbeit
wird sich ändern. Wir werden
überall eine Entwicklung beob-
achten, in der die bisherigen Pa-
rameter vollkommen neu defi-
niert werden: Vom Haben zum
Teilen, vom Besitz zum Zugang,
von Intransparenz zu Transpa-
renz, von der Effizienz zur Krea-
tivität, von Kontrolle zu Ver-
trauen.“ Dies bringe eine immer
dezentraler und vernetzter or-
ganisierte Arbeit zwangsläufig
mit sich. „Heute heißt es David
‚mit‘ Goliath, nicht mehr ‚ge-
gen‘“, machte der Experte deut-
lich, weil die Beschäftigten in
der digitalen Arbeitswelt ihr
Produktionsmittel in aller Regel
„in der eigenen Hosentasche“
hätten: das Smartphone, das
Tablet, das Notebook mit einer
Rechenleistung „größer als
jene, die die NASA bei der ers-
ten Mondlandung 1969 insge-
samt zur Verfügung hatte“.
Teamwork wird immer wichti-
ger, sagt Oberholz voraus: Pro-
jektarbeit statt lineare Prozess-
arbeit, flache oder gar keine
Hierarchien statt begrenzter
Mitbestimmung. Entsprechend
würden sich auch die Arbeits-
räume in ihrer Funktionalität
und Optik ändern müssen. Bei
der Gestaltung von Arbeitsplät-
zen gehe es in Zukunft um an-
lassbezogenes variables Raum-
design, in dem keine oder nur
wenig Hierarchie sichtbar wer-
de. Auch mit Blick auf die Perso-
nalgewinnung werde sich der
Schwerpunkt in der Neuen Ar-
beit verschieben, glaubt Ansgar
Oberholz. Es wird wichtiger,
dass sich Beschäftigte immer
wieder auf neue Situationen
und Herausforderungen ein-
stellen können“, handfeste Fer-
tigkeiten (Skills)seien dagegen
schlicht erlernbar oder würden
ohnehin von Technik oder
Künstlicher Intelligenz (KI) über-
nommen. Vor diesem Hinter-
grund forderte Oberholz auch
ein Umdenken in den Zielset-
zungen des Bildungssystems:
„Leider machen wir in unseren
Schulen aus geborenen projekt-
orientierten Entrepreneuren
linear vorgehende Prozessrobo-
ter – die wir gar nicht brauchen.
Wir brauchen kreative, fehler-
tolerante Menschen, die in der
Lage sind, Situationen schnell
und lösungsorientiert zu erfas-
sen und in alle Richtungen und
Systeme zu denken.“ Vor allem
junge Menschen trügen dieses
Bedürfnis, diesen Wunsch nach
verantwortlichem vernetztem
Denken und Arbeiten schon
heute in den Arbeitsmarkt hin-
ein, so Oberholz. „Recruiting-
Probleme sind oft nur die Spitze
des Eisbergs, in der Regel haben
potenzielle neue Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter tief liegen-
de kulturelle Probleme mit dem
Arbeitgeber, die mit Gehalt al-
lein überhaupt nicht gelöst
werden können. Es geht zuneh-
mend um andere Werte als
Geld und Karriere: Es geht um
Wohlbefinden, natürlich auch
am Arbeitsplatz, es geht um
Nachhaltigkeit – die Arbeitneh-
mer von morgen wollen genau
wissen, welches große Rad dre-
he ich hier als kleines Rad?“
<<
Die Antwort auf die
VUCA-Welt: Agilität
Derzeit, so Oberholz, sei die
Spannbreite zwischen den
bereits existierenden unter-
schiedlichen Arbeitswelten –
„hippes agiles Start-up hier,
Nine-to-five-Bürojob da“ – sehr
groß. „Wo genau die Reise hin-
gehen wird, weiß niemand,
<<
Ansgar Oberholz, New-Work-Experte
aus Berlin, zeigte auf, welch grundle-
gender Paradigmenwechsel sich im
Zuge der digitalen Transformation in
der Arbeitswelt vollziehen wird.
<<
Die re:publica ist
eine der weltweit
wichtigsten Konfe-
renzen zu den The-
men der digitalen
Gesellschaft. In die-
sem Jahr fand sie vom
6. bis 8. Mai in der
STATION-Berlin statt
– ein Schwerpunkt
und großer Publi-
kumsmagnet waren
die Sessions zur Ar-
beit der Zukunft.
© Stefanie Loos / re:publica
© Jan Zappner / re:publica (2)
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dbb
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dbb magazin | Juni 2019