dbb magazin 6/2019 - page 12

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„Keinen Bock mehr auf Dauerstress“: Die Millennials, die jungen Ar-
beitnehmer, sind Treiber neuer flexibler Arbeitsformen und -modelle,
weil sie ihre Arbeit um ihr Leben bauen möchten, nicht umgekehrt.
interview/arbeit der zukunft
Christian Pfromm, Chief Digital Officer, Freie und Hansestadt Hamburg
„Hamburg soll führend in Sachen Digitalsierung werden“
Digitale Infrastruktur, digitale
Kommunikation, digitale Da-
seinsvorsorge, Open Data und
Transparenz – hat sich Ham-
burg da nicht ein bisschen viel
auf einmal vorgenommen?
Christian Pfromm
:
Nein. Wir denken einfach ganz-
heitlich: Eine Strategie Digitale
Stadt umfasst mehr als die bis-
herigen E-Government- und
IT-Programme, die sich auf die
Effizienzsteigerung der Verwal-
tung und die Schnittstelle zu
bestimmten Gruppen von Ver-
waltungskunden konzentriert
haben. Da sich Wertschöp-
fungsprozesse in der Wirtschaft
ebenso digitalisieren, wie der
Alltag der Bürgerinnen und Bür-
ger, ist die Stadt gefordert, die-
se Entwicklung in aller Breite zu
gestalten und zur Steigerung
von Lebensqualität und Wirt-
schaftskraft zu nutzen. Deshalb
wird die Stadt in allen geeigne-
ten, von ihr getragenen bezie-
hungsweise unterstützten
Initiativen und Projekten die
Chancen der Digitalisierung
zum Thema machen. Hamburg
soll bundesweit führend in Sa-
chen Digitalisierung werden.
Wir wollen insbesondere bei
der digitalen Verwaltung nicht
nur unsere Hausaufgaben ma-
chen, sondern zudem schneller
als andere fertig werden und so
möglicherweise auch anderen
Ländern zuarbeiten.
Nun ist Hamburg als Stadtstaat
und Einheitsgemeinde auch
prädestiniert für eine All-in-Lösung. Aber wie schätzen Sie
die Lage mit Blick auf unsere zu
Kompliziertheit neigende föde-
rale Struktur bundesweit ein?
Ich behaupte das Gegenteil:
Der Föderalismus wird uns hel-
fen, die Herausforderungen
der Digitalisierung in Deutsch-
land zu meistern. Sehen Sie
sich das Beispiel Dataport
an. Dataport ist der Informa-
tions- und Kommunikations-
Dienstleister der öffentlichen
Verwaltung für Hamburg,
Schleswig-Holstein, Bremen
und Sachsen-Anhalt sowie für
die Steuerverwaltungen in
Mecklenburg-Vorpommern
und Niedersachsen. Hier kön-
nen wir im Rahmen unserer
standardisierten Fertigung
die Digitalisierung zahlreicher
Verwaltungsprozesse bündeln
und parallelisieren. Aufgrund
der bundesweit definierten
einheitlichen Schnittstellen
können dann nicht nur die Da-
taport-Länder, sondern viele
weitere Gebietskörperschaften
unsere Produkte nutzen – wir
schaffen viel mehr Ergebnis
binnen deutlich kürzerer Zeit.
Wenn wir uns die Digitalisie-
rungsarbeit unter allen Bun-
desländern aufteilen und prio-
risieren, hätten alle was davon.
Insofern: Nein, der Föderalis-
mus ist nicht ein Problem, er
kann die Lösung sein.
Viele Beschäftigte des öffentli-
chen Dienstes betrachten die
zunehmende Digitalisierung
eher kritisch. Sie fürchten, dass
der Mensch irgendwann nicht
mehr im Mittelpunkt steht,
Wie sehen Sie die Entwicklung?
Ohne den Menschen geht es
nicht. Für Hamburg kann ich
sagen, dass wir aus der Digita-
lisierungsarbeit der Vergan-
genheit gelernt haben und die
Beteiligung der Beschäftigten
einen sehr hohen Stellenwert
für uns hat. Sie sind die Profis,
die tagtäglich in den Prozes-
sen, die wir anfassen, stecken
und ein sehr gutes Gespür da-
für haben, wo die Reise auch
aus Nutzersicht hingehen
muss. Hinzu kommt, dass wir
uns an die Seite der Kollegin-
nen und Kollegen stellen, dass
wir sie nicht konfrontieren,
sondern befähigen und sicher
durch den Transformations­
prozess begleiten.
Die digitale Transformation
der Hamburger Verwaltung
ist auch Thema der Reporta-
ge im aktuellen dbb magazin.
© Senatskanzlei Hamburg
Leben zu bauen, und nicht
umgekehrt. „Ich hatte einfach
keinen Bock mehr, ständig ge-
stresst und gereizt zu sein. Also
habe ich ausgiebig in mich rein-
gehorcht und herausgefunden,
was ich persönlich brauche,
was mein Umfeld von mir
braucht – Achtsamkeit heißt
das Buzzword dafür“, sagt Elly
augenzwinkernd zu ihrem Pub-
likum. Sie will die arbeitenden
Menschen dazu ermutigen, viel
eigenverantwortlicher und
achtsamer das „New“ in der
„NewWork“-Debatte aktiv
mitzugestalten. „Es liegt auf
der Hand, dass der strukturelle
Wandel zu großen Teilen Aufga-
be der Unternehmen und der
Politik ist. Aber auch die Be-
schäftigten selber können, ja
müssen ihren Beitrag dazu leis-
ten, um die neue Arbeit und ei-
nen kulturellen Wandel sinnvoll
und sozial verträglich zu gestal-
ten.“ Wenn ein Arbeitgeber
nicht gleich von der Idee „Füh-
rung in Teilzeit“ überzeugt sei,
müsse man eben wieder und
wieder kommen, „dicke Bretter
bohren“. Und natürlich für sich
selbst ganz klar formulieren,
was man von der Arbeit erwar-
tet und wieviel man zu arbeiten
bereit ist. Elly Oldenbourg ist
davon überzeugt, dass neues
Arbeiten vor allem ein „inside
job“ ist, und auch dort beginnt,
wo man direkt etwas bewirken
kann: bei sich selbst.
iba
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