dbb magazin 6/2019 - page 19

wissenschaftsjahr 2019
der Erfindung des Computers
formte. Die Idee einer die
menschliche Intelligenz imitie-
renden künstlichen Intelligenz
ging einher mit der Entwick-
lung der ersten mechanischen
Rechenmaschinen. Auf die Er-
findung elektromechanischer
Rechenmaschinen folgten die
ersten programmierbarer Com-
puter, bei deren Konzeption
Konrad Zuse in den 40er-Jah-
ren einer der Vordenker war.
Mit der Erfindung des ersten
Mikroprozessors durch Texas
Instruments war Anfang der
1970er-Jahre der Weg end­
gültig frei für leistungsfähige
Computer, die viele Rechen-
operationen schnell und
gleichzeitig bewältigen kön-
nen. Bis heute werden die zu
verarbeitenden Daten inner-
halb des Computers in Zahlen
umgewandelt, mit denen der
Computer rechnet – streng ge-
nommen sind Computer also
Rechenmaschinen geblieben.
Quasi parallel zu dieser Evoluti-
on der Rechenmaschine und
anhand der extrem hohen Er-
wartungen an die Möglichkei-
ten künftiger Rechner verlief
die theoretische Entwicklung
der Künstlichen Intelligenz.
Basierend auf den Arbeiten des
Mathematikers Alan Turing
formulierten die Amerikaner
Allen Newell und Herbert A.
Simon 1976 die „Physical Sym-
bol System Hypothesis“, die
grob zusammengefasst be-
schreibt, dass Denken Infor­
mationsverarbeitung ist und
damit ein Rechenvorgang be-
ziehungsweise eine Manipula-
tion von Symbolen. Der Clou:
Nach Auffassung der Wissen-
schaftler kommt es dabei auf
die Trägersubstanz, auf der ge-
rechnete wird, nicht an. Es ist
also egal, ob das menschliche
Gehirn rechnet oder ein Silizi-
umchip. Diese Auffassung wird
von den Vertretern der „star-
ken KI-Forschung“ geteilt: Ihr
Ziel soll letztlich die Überwin-
dung des Todes ein, indem das
immenschlichen Gehirn ge-
speicherte Wissen auf einen
Computer beziehungsweise in
ein Computernetzwerk über-
tragen wird.
Was uns heute im Alltag als KI
begegnet, ist dagegen „schwa-
che KI“: Die Rechenalgorith-
men von Sprachassistenten
wie „Siri“ und „Alexa“, selbst-
fahrenden Autos oder compu-
tergestützten Steuerungen von
Industrieanlagen „denken“
nicht. Sie imitieren menschli-
che Denkprozesse und „lernen“
selbstständig dazu, indem sie
neue Informationen sinnvoll
verknüpfen und zueinander in
Beziehung setzen. Weil sie das
sehr viel schneller und komple-
xer tun können als ein mensch-
liches Gehirn, entsteht die An-
mutung von Intelligenz. Und
die kann zum Teil frappierend
sein: Die KI eines großen Her-
stellers von Düften und Aro-
men kann heute zum Beispiel
auf der Basis von Zigtausenden
Rohstoffen Düfte mischen, die
genau den Vorstellungen der
Auftraggeber entsprechen.
Oder sie kann Ersatz für nicht
lieferbare Rohstoffe finden, de-
ren andere Zusammensetzung
demmenschlichen Riechsinn
nicht als Unterschied auffällt.
Bei der schwachen KI geht es
also darum, konkrete Anwen-
dungsprobleme des menschli-
chen Denkens zu meistern und
es in Einzelbereichen zu unter-
stützen.
<<
Lernen, ohne Bewusst-
sein auszubilden
Die Fähigkeit zu lernen, ist da-
bei eine Hauptanforderung an
KI-Systeme. Um die Schaffung
von Bewusstsein geht es bei
der schwachen KI nicht, womit
diffuse Ängste der Menschen,
in naher Zukunft von intelli-
genten Maschinen dominiert
zu werden, eigentlich bis auf
Weiteres vom Tisch sein müss-
ten. Das sagt auch der Neuro-
informatiker Prof. Gordon Pipa
vom Institut für Kognitionswis-
senschaft (IKW) der Universität
Osnabrück, der anlässlich der
Eröffnung der Ausstellung der
MS Wissenschaft am 16. Mai
in Berlin persönlich das Expe-
riment seines Forscherteams
zur Akzeptanz von künstlicher
Intelligenz in autonomen
selbstfahrenden Fahrzeugen
vorstellte: Das „Westdrive-
Projekt“ ist eines der zahlrei-
chen Forschungsaktivitäten
des KI-Campus der Universität
Osnabrück, in dem die for-
schungsstarken und anwen-
dungsnahen Fächer der Uni­
versität zum Thema KI und
Digitalisierung verknüpft sind.
Es lädt Besucherinnen und Be-
sucher der Wissenschaftsschau
ein, in einem echten Auto Platz
zu nehmen und mithilfe einer
Brille für virtuelle Realität
durch eine virtuelle Großstadt
zu fahren. Allerdings steuert
nicht der Mensch, sondern eine
KI den Wagen, wobei sie den
<<
Prof. Gordon Pipa vom KI-Campus der Universität Osnabrück informiert
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek auf der „MS Wissenschaft“
über das „Westdrive Projekt“. Dort ist eine KI für das Autofahren zustän-
dig und sie erläutert sogar ihre Entscheidungen (rechts).
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