dbb magazin 6/2019 - page 24

frauen
dbb bundesfrauenvertretung
Gleichstellungsdruck erhöhen
Die Bundesregierung hat sich in ih­
rem Koalitionsvertrag ein wichtiges
Ziel gesetzt. Bis 2025 soll die gleich­
berechtigte Teilhabe von Frauen und
Männern in Leitungsfunktionen des
öffentlichen Dienstes erreicht sein.
Angesichts des zähen Fortschritts
kann man die Politikschaffenden
nicht oft genug an die Umsetzung
ihrer Zielvereinbarung erinnern. Kurz
vor Ostern hatte die Bundestagsfrak­
tion Bündnis 90/Die Grünen dies mit
einer Kleinen Anfrage nachdrücklich
getan. Die Antwort der Bundesregie­
rung (19/9204) zeigt die noch offe­
nen Baustellen deutlich auf.
Die Fragen der Bundestagsab­
geordneten der Fraktion Bünd­
nis 90/Die Grünen sind aus
Sicht der dbb bundesfrauenver­
tretung wohlüberlegt formu­
liert. „Neben der detaillierten
Auflistung der Neubesetzung
von Führungspositionen in den
obersten Bundesbehörden nach
Geschlecht seit dem Amtsan­
tritt der Bundesregierung wur­
de auch nach konkreten Maß­
nahmen zur Verbesserung der
Aufstiegschancen gefragt. Un­
sere hartnäckige Forderung
nach mehr Transparenz in die­
ser Thematik scheint bei den
handelnden Personen ange­
kommen zu sein. Die Antwort
der Bundesregierung ist über­
raschend detailliert und legt
offen, woran es bei der Um­
setzung der Gleichstellung in
den obersten Bundesbehörden
hakt“, betont Helene Wildfeuer,
Vorsitzende der dbb bundes­
frauenvertretung.
Laut den Angaben der Bundes­
regierung wurden seit den Bun­
destagswahlen 2017 knapp
viermal so viele Männer wie
Frauen ins Amt eines beamte­
ten Staatssekretärs befördert.
Auf der Ebene der Abteilungs­
leitungen waren es über ein
Drittel mehr Männer als Frau­
en, die neu in diese Führungs­
ebene aufstiegen. Interessant
ist auch ein Blick auf die Auf­
stiegsverfahren nach § 27 der
Bundeslaufbahnverordnung,
der es ermöglicht, besonders
leistungsstarke Beamtinnen
und Beamte abweichend von
§ 17 Abs. 3 bis 5 des Bundesbe­
amtengesetzes zu befördern.
So wurden fast doppelt so viele
Männer wie Frauen aufgrund
ihrer besonderen Leistungs­
stärke in den Bundesministeri­
en befördert. Würden die Ver­
fahren der Bundesbank in der
Auswertung berücksichtigt, er­
gäbe sich ein dramatisch
schlechteres Bild: Allein im hö­
heren Dienst wurden dort 18
Verfahren durchgeführt, bei
denen männliche Beschäftigte
befördert wurden. Lediglich
drei Verfahren betrafen weibli­
che Beschäftigte. Auf der Suche
nach den Gründen liefert die
Kleine Anfrage auch hier einen
wichtigen Hinweis. In der letz­
ten Beurteilungsrunde in den
obersten Bundesbehörden
(ohne Bundesbank, Bundes­
kanzleramt und Bundespräsidi­
alamt) erhielten im höheren
Dienst 232 Frauen und 297
Männer die Bestnote.
<<
Behördenkultur behin-
dert Frauenförderung
Auffällig ist, dass die Leistung
von weiblichen Beschäftigten
im höheren Dienst in jenen
obersten Bundesbehörden häu­
figer mit der Bestnote bewertet
wurde, in denen der Frauenan­
teil höher war als der Männer­
anteil. Das lässt Rückschlüsse
zu, dass die Behördenkultur bei
der dienstlichen Beurteilung
eine entscheidende Rolle spielt.
Ein genauer Blick in die Auflis­
tung zeigt auch, welche Behör­
den einen Kulturwandel anstre­
ben beziehungsweise bereits
vollzogen haben. Dies spiegelt
sich vor allem auch in den Anga­
ben zummobilen und flexiblen
Arbeiten in den jeweiligen Res­
sorts wider.
Die Behörden gehen dabei sehr
unterschiedlich vor. Die Spanne
der Regelungen reicht von der
grundsätzlichen Einführung
des mobilen Arbeitens für alle
Beschäftigten gekoppelt an
individuelle Teamvereinba­
rungen (Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend – BMFSFJ, Bundes-
ministerium für Arbeit und So­
ziales – BMAS) über komplexe
Regelungen mit eingeschränk­
ten mobilen Arbeitszeitkontin­
genten (Bundesministerium
des Innern – BMI, Bundeswirt­
schaftsministerium – BMWi)
bis hin zu sehr eingeschränk­
tem beziehungsweise an spezi­
elle Tätigkeiten oder familiäre
Situationen gebundenemmo­
bilen Arbeiten (Bundesverteidi­
gungsministerium – BMVg).
Auffällig ist, dass in Bundesmi­
nisterien mit höherem Frauen­
anteil mobiles und flexibles Ar­
beiten teilweise sogar für alle
Beschäftigten möglich ist.
„Leider bleiben die progres­
siven Vorreiter bisher in der
Minderheit“, kritisierte Helene
Wildfeuer. Positiv sei jedoch,
dass viele Bundesministerien
sich an den Pionieren orien­
tierten und Pilotprojekte zum
generellen mobilen Arbeiten
durchführten. Ein behörden­
übergreifendes Grundkonzept
oder gar ein gezielt von der
Bundesregierung gesteuertes
Vorgehen zur Entwicklung ei­
ner einheitlichen Behördenkul­
tur im Bundesdienst sei jedoch
nicht zu erkennen.
Den Angaben der Bundesregie­
rung zufolge arbeite man an
einem Referentenentwurf zur
Umsetzung der im Koalitions­
vertrag vereinbarten Maßnah­
men für mehr Frauen in Füh­
rungspositionen. „Jetzt gilt es,
den Druck zu erhöhen. Nicht
nur muss das angekündigte
Gesetz so schnell wie möglich
vorgelegt und verabschiedet,
sondern auch mit wirksamen,
praxisorientierten Maßnah­
men unterlegt werden. Wir
werden hier nicht lockerlas­
sen“, so Wildfeuer.
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