Grenzen für versicherte Wegeunfälle

Wer auf dem Weg zur oder von der Arbeit aus privaten Gründen aus dem Auto aussteigt, verliert vorübergehend den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Geringe Unterbrechungen „quasi im Vorbeigehen“ bleiben weiterhin versichert (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Mai 2019, Aktenzeichen B 2 U 31/17 R).

Der Fall

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall, das sie auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte nach Hause erlitten hat. Am 18. März 2014 verließ die Klägerin nach Ende ihrer Arbeitszeit ihre Arbeitsstätte mit dem Pkw. Auf dem Weg nach Hause hielt sie an, um einen Privatbrief in einen dort befindlichen Briefkasten zu werfen. Beim Aussteigen aus dem Fahrzeug stürzte die Klägerin, während sie sich mit der rechten Hand noch am Lenkrad festhielt. Das Fahrzeug rollte dabei über ihren linken Fuß. Der Arzt diagnostizierte eine knöcherne Läsion der Fußwurzel links. Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Das Sozialgericht (SG) hat auf die Klage die angefochtenen Bescheide durch Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Es habe sich lediglich um eine geringfügige Unterbrechung des versicherten Wegs gehandelt, weil diese zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig gewesen sei und einer Verrichtung diene, die „im Vorbeigehen“ und „ganz nebenher“ sowie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung erledigt werden könne. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Arbeitsunfall erlitten, als sie sich auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstelle bei dem Versuch einen Brief einzuwerfen, verletzte. Zwar stand sie grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, denn in der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert. Die Klägerin hat diesen Weg jedoch unterbrochen, als sie den Pkw verlassen hat, um einen Brief einzuwerfen. Dieser Briefeinwurf stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Die Unterbrechung war auch nicht geringfügig. Eine Unterbrechung kann nur dann als geringfügig bezeichnet werden, wenn die Verrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Dies war hier allerdings nicht der Fall, weil sie die konkrete, versicherte Verrichtung des Autofahrens unterbrochen hat. Die Klägerin musste ihren Pkw anhalten, aus ihm aussteigen und zum Briefkasten gehen, um den Brief einwerfen zu können. Diese Unterbrechung war zum Unfallzeitpunkt auch noch nicht beendet und der Versicherungsschutz nicht erneut entstanden. Erst mit der Fortführung des ursprünglich geplanten Weges hätte wieder eine versicherte Tätigkeit vorgelegen.

Das Fazit

Darüber, wann die gesetzliche Unfallversicherung bei Wegeunfällen zahlen muss, wird oft vor Gericht gestritten. Nicht selten werden Verunglückten Leistungen verweigert. Insbesondere die Frage, ob und wann eine unschädliche geringfügige Unterbrechung vorliegt, muss im Einzelfall geklärt werden. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn die Verrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist wiederum der Fall, wenn die Unterbrechung zu keiner erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden kann.

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