Bund und Kommunen
Auslegung des Begriffs „aufgestellter Dienstplan“ in § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA
Ein Dienstplan ist auch dann rechtzeitig „aufgestellt“ im Sinne des § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA, wenn es an einer Zustimmung des Betriebsrats fehlt (BAG, Urteil vom 16. März 2023, Aktenzeichen 6 AZR 130/22).
Der Fall
Der Kläger ist als Oberarzt am von der Beklagten betriebenen Universitätsklinikum tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) anwendbar. Nach diesem ist der Kläger zur Leistung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft verpflichtet. Nach § 10 Abs. 11 dieses Tarifvertrags besteht jedoch ein Anspruch auf Zuschläge, wenn der Dienstplan, der diese Dienste anordnet, nicht spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird.
Die Arbeitgeberin gab für die Monate Februar bis September 2020 zwar spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraums die Dienstpläne gegenüber den Beschäftigten bekannt; der Betriebsrat hatte diesen jedoch nicht zugestimmt und sie auch nicht genehmigt, da er Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz annahm. Ein Einigungsstellenverfahren wurde nicht eingeleitet. Der Kläger verlangt nun Zuschläge nach § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA für in dieser Zeit eines nicht „rechtmäßig aufgestellten Dienstplans“ geleistete (Ruf-)Bereitschaftsdienste. Er argumentiert, ein Dienstplan sei nur dann rechtzeitig „aufgestellt“ im Sinne des § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA, wenn er auch wirksam, also insbesondere unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes, zustande gekommen sei. Nur dann sei er rechtsverbindlich und nur dann könnten sich die Beschäftigten darauf einstellen. Sinn des § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA sei aber gerade die bessere Planbarkeit für die Beschäftigten.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht legte die entsprechende Norm des Tarifvertrags nun aus und kam zu einem anderen Ergebnis. Nach Ansicht des Gerichts genügt es, dass der Dienstplan faktisch rechtzeitig „in der Welt“ ist; dass der Plan auch mitbestimmungsrechtlichen Erfordernissen beziehungsweise den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes genüge, sei dagegen für die Frage der Zuschläge aus § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA unerheblich.
Bereits der Wortlaut „aufgestellt“ bezeichne lediglich den tatsächlichen Vorgang der Planerrichtung und Bekanntgabe. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch seien dagegen weitere Voraussetzungen, etwa die korrekte Errichtung des Plans, nicht zu erfüllen. Derlei würde normalerweise vielmehr durch Hinzufügen von Adjektiven wie „wirksam“ oder „gültig“ zum Ausdruck gebracht.
Durch die Bekanntgabe des Dienstplans übten Arbeitgebende außerdem ihr Direktionsrecht aus – nur daran, nicht aber an eine rechtswirksame Ausübung des Direktionsrechts, knüpfe § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA an. § 10 Abs. 11 S. 4 TV-Ärzte/VKA, wonach die Mitbestimmung nach der Aufstellung des Dienstplans unberührt bleibt, stehe dem nicht entgegen. Aus dessen systematischer Stellung werde klar, dass sich Satz 4 nur auf den Fall der „notwendigen Dienstplanänderung“ beziehe.
Letztendlich bezwecke § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA zwar tatsächlich, den Ärzten ein gewisses Maß an Planungssicherheit zu gewähren. Sie sollen rechtzeitig wissen, wann sie ihre Dienste zu erbringen und wann sie Freizeit haben. Zudem sollen sie sich grundsätzlich darauf verlassen können, entsprechend der Regelungen des Dienstplanes eingesetzt zu werden. Die Arbeitgebenden sollen also dazu angehalten werden, die Dienste ihrer Beschäftigten rechtzeitig zu planen. Dies spricht aber laut Bundesarbeitsgericht – entgegen der Ansicht des Klägers – gerade dafür, dass der Dienstplan nicht auch rechtswirksam aufgestellt werden muss.
Andernfalls stünde im Streitfall erst nach rechtskräftiger gerichtlicher Klärung fest, ob der Dienstplan für den Arbeitnehmer verbindlich aufgestellt wurde. Es genüge also zur Wahrung der Frist des § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA, wenn der Dienstplan „in der Welt“ sei.
Den Arbeitnehmenden stehe es in Fällen wie dem Vorliegenden aber frei, die Erbringung ihrer Dienste zu verweigern, ohne ihre vertragliche Leistungspflicht zu verletzen.
Das Fazit
Das Urteil ist zwar schlüssig, zeigt aber erneut, wie wichtig den Arbeitnehmenden ein planbarer Feierabend ist. Der Verweis der Arbeitnehmenden auf ihr Leistungsverweigerungsrecht scheint im Krankenhausbereich allerdings kaum praktikabel – hier steht am Ende immer die Sicherheit der Patientinnen und Patienten auf dem Spiel.