Bund und Kommunen
Dynamische Verweisungsklauseln bei Betriebsübergang
Eine zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, verliert ihre Dynamik im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber nicht allein aufgrund des Betriebsübergangs (BAG, Urteil vom 30. August 2017, Aktenzeichen 4 AZR 95/14).
Der Fall
Die Klägerin ist seit 1986 als Stationshilfe in einem Krankenhaus beschäftigt. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband war. Im Jahr 1995 wurde das Krankenhaus privatisiert und von einer GmbH weiterbetrieben, die ebenfalls tarifgebunden war. Der Betriebsteil, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, ging 1997 auf die KLS Facility Management GmbH über. Diese gehörte keinem Arbeitgeberverband an. Die geschlossenen Arbeitsverträge enthielten eine dynamische Verweisungsklausel, wonach sich das Arbeitsverhältnis – wie vor dem Übergang – nach dem
BMT-G II und künftig nach den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen richten sollte. Später wurde die KLS FM GmbH Teil eines Krankenhaus-Konzerns. 2008 ging der Betriebsteil, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, auf eine andere Konzerngesellschaft über. Mit ihrer Klage macht sie die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA auf ihr Arbeitsverhältnis geltend, da sie als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar seien. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Die Entscheidung
Das BAG hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit dem Unionsrecht ersucht. Mit Urteil vom 27. April 2017, Aktenzeichen C-680/15 und C-681/15, hat der EuGH entschieden, dass die so genannte Betriebsübergangsrichtlinie (RL 2001/23/EG) in Verbindung mit Art. 16 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nicht entgegensteht, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht. Die Revision der Beklagten vor dem BAG war daher erfolglos. Die für die Betriebsveräußerin und die Klägerin verbindliche dynamische Bezugnahmeklausel wirkt auch im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien weiterhin dynamisch. Ein Betriebserwerber kann nach nationalem Recht sowohl einvernehmlich – durch Änderungsvertrag – als auch einseitig – durch Änderungskündigung – erforderliche Anpassungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen vornehmen. Unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entdynamisierung einer Bezugnahmeklausel im Einzelfall sozial gerechtfertigt ist, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung.
Das Fazit
In Neuverträgen, die nach dem 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind, führen dynamische Bezugnahmeklauseln zur dynamischen Fortgeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge und damit zu einer Ewigkeitsbindung. Das heißt, der Erwerber muss künftige Tarifentwicklungen weitergeben. Seit der „Alemo-Herron“-Entscheidung des EuGH vom
18. Juli 2013, Aktenzeichen C-426/11, war es streitig, ob die Dynamik auch dann greift, wenn der Erwerber an den Verhandlungen über die nach dem Übergang abgeschlossenen Tarifverträge nicht teilnehmen kann. In seinen im April 2017 ergangenen Vorabentscheidungen macht der EuGH deutlich, dass es für die dynamische Fortgeltung des Tarifvertrags auf die Änderungsmöglichkeiten des Betriebserwerbers nach nationalem Recht ankommt. Insofern hat der EuGH die Rechtsprechung des BAG grundsätzlich bestätigt, allerdings auch Vorgaben für den konkreten Fall gemacht. Der EuGH wies darauf hin, dass der Erwerber eines Unternehmens in der Lage sein müsse, nach dem Übergang, die für die Fortsetzung seiner Tätigkeit aus wirtschaftlicher Sicht erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Das BAG hatte nun den Sachverhalt erneut zu begutachten und entschied, dass die dynamische Bezugnahme durch den Betriebsübergang nicht beseitigt wird. Der Arbeitgeber bleibt bei Betriebsübergang also grundsätzlich gebunden.