Bund und Kommunen
Annahmeverzug – Unvermögen
Ein vom Auftraggeber oder Kunden unter Berufung auf vertragliche Pflichten an den Arbeitgeber gerichtetes Verbot, einen bestimmten Arbeitnehmer einzusetzen, begründet grundsätzlich kein Unvermögen gemäß § 297 BGB dieses Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, Urteil vom 21. Oktober 2015, Aktenzeichen 5 AZR 843/14).
Der Fall
Der Kläger ist seit 2005 als Fluggastkontrolleur und Sicherheitsmitarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Er nimmt zugleich als Luftsicherheitsassistent aufgrund staatlicher Beleihung Aufgaben nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 4 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) wahr. Aufgrund Beschuldigungen einer Kollegin des Klägers, wonach dieser im Dienst Straftaten begangen haben soll, untersagte die Bundespolizeidirektion Berlin mit Schreiben vom 29. Juni 2012 der Beklagten bis auf Weiteres den Einsatz des Klägers als Luftsicherheitsassistent. Die Beklagte suspendierte daraufhin den Kläger vom Dienst und versagte ihm den Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen Bereichen der Berliner Verkehrsflughäfen. Sie zahlte dem Kläger nach der Gewährung von Urlaub ab August 2012 kein Entgelt mehr. Der Verdacht gegen den Kläger stellte sich im Nachhinein als falsch heraus. Daraufhin hob die Bundespolizeidirektion Berlin den angeordneten Nichteinsatz mit sofortiger Wirkung auf. Der Kläger wurde für fast ein Jahr nicht eingesetzt und verlangt die Vergütung für diese Zeit.
Die Entscheidung
Das BAG hat entschieden, dass dem Kläger die Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit als Luftsicherheitsassistent weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich ist. Der Annahmeverzug der Beklagten sei nicht nach § 297 BGB ausgeschlossen gewesen. Der Kläger sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen zur Erbringung der Arbeitsleistung außerstande gewesen. Er sei tatsächlich in der Lage gewesen, die für seine Arbeitsleistung relevanten Bereiche des Flughafens zu betreten. Zudem haben im streitigen Zeitraum alle erforderlichen Erlaubnisse vorgelegen. Von der Möglichkeit des Widerrufs der Beleihung nach § 5 Abs. 5 Satz 2 LuftSiG sei kein Gebrauch gemacht worden. Das Schreiben der Bundespolizeidirektion Berlin vom 29. Juni 2012 habe kein Unvermögen des Klägers im Sinne des § 297 BGB begründet, denn es erfülle nicht die Voraussetzungen eines behördlichen Beschäftigungsverbots. Ein solches muss als hoheitliche Maßnahme gemäß § 41 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dem betroffenen Arbeitnehmer förmlich bekannt gegeben werden. Zudem müssen die mit ihm einhergehenden Rechtsfolgen klar und deutlich bezeichnet werden, damit der Betroffene den Rechtsweg beschreiten kann. Die Behörde hätte, statt nur auf vertraglicher Ebene der Beklagten den Einsatz des Klägers zu untersagen, gegenüber dem Arbeitnehmer selbst tätig werden müssen. Der Annahmeverzug der Beklagten sei auch nicht wegen Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung ausgeschlossen. Dazu hätte die Beklagte die vertraglichen Grundlagen, auf welche sich das Einsatzverbot stützt, näher darlegen und auch zumindest versucht haben müssen, ihren Auftraggeber umzustimmen. Die Beklagte muss daher den Annahmeverzugslohn zahlen.
Das Fazit
Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass hier die behördliche Beschäftigungserlaubnis des Arbeitnehmers zu keinem Zeitpunkt entzogen wurde. Die Untersagung des Einsatzes gegenüber dem Arbeitgeber begründet für den Arbeitnehmer kein Beschäftigungsverbot. Hierfür hätte es eines öffentlich-rechtlichen Hoheitsakts gegenüber dem Betroffenen selbst bedurft. Es handelt sich dabei nicht lediglich um eine Formalität, sondern um ein zwingendes Erfordernis. Der Entzug einer erforderlichen Erlaubnis macht dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung rechtlich unmöglich, so dass nach § 297 BGB Annahmeverzug ausgeschlossen ist. Das Verbot an einen Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, fällt in dessen betrieblichen Risikobereich und nicht unter § 297 BGB. Demzufolge ist der Entscheidung des BAG zuzustimmen. Die Beklagte hätte, um Ansprüchen aus Annahmeverzug zu entgehen, ihren Arbeitnehmer weiterhin beschäftigen dürfen und müssen, solange diesem gegenüber die Beleihung nicht widerrufen wurde.