Kein Anspruch auf Entgeltrückforderung wegen Verdachts auf Verstoß gegen die Arbeitspflicht
Arbeitgebende tragen grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welchem Umfang Arbeitnehmende ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt haben. Können Arbeitgebende den Verdacht eines Verstoßes gegen die Arbeitspflicht nicht beweisen, haben sie keinen Anspruch auf Gehaltsrückforderungen. Dies gilt auch für Arbeitsleistungen im Homeoffice (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28. September 2023, Aktenzeichen 5 Sa 15/23).
Der Fall
Die Klägerin war seit Ende 2021 als Pflegemanagerin und leitende Pflegekraft in der Pflegeeinrichtung der Beklagten beschäftigt. Ihr war gestattet, auch im Homeoffice zu arbeiten. Die gesamten Arbeitsstunden aus dem Büro und dem Homeoffice erfasste sie jeweils nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende in einer vorgegebenen Stundentabelle, die in der Folgezeit von einer zuständigen Mitarbeiterin abgezeichnet wurde. Im Mai 2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Die Beklagte forderte die Klägerin zur Rückzahlung des Bruttoentgelt in Höhe von insgesamt 7.112,74 Euro für 300,75 Arbeitsstunden im Homeoffice zurück. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung im Homeoffice nicht erbracht habe. Dazu legte die Beklagte dem Gericht keine Beweise vor und behauptete lediglich, dass im Homeoffice keine Ausarbeitungen von der Klägerin erstellt wurden.
Die Entscheidung
Das Gericht entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Das Entgelt wurde nicht ohne Rechtsgrund, sondern aufgrund § 611 a Bürgerliches Gesetzbuch gezahlt, wonach der Arbeitsvertrag Arbeitnehmende zur Erbringung der Arbeitsleistung und Arbeitgebende zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Zwar entfällt entsprechend dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmenden, wenn dieser gegen die Arbeitspflicht verstößt. Die Darlegungs- und Beweislast für diesen Vorwurf trägt jedoch die Arbeitgeberseite. Diese konnte im vorliegenden Fall keine Beweise erbringen, ob und in welchem Umfang die Arbeitnehmerin gegen die Arbeitspflicht im Homeoffice verstoßen hat. Hingegen hat die Klägerin anhand von versendeten E-Mails aus dem Homeoffice mit dienstlichen Inhalten und Anlagen an die Beklagte und andere Beschäftigte dargelegt, dass sie verschiedene Arbeitsleistungen erbracht hat. Die Behauptung fehlender Arbeitsergebnisse innerhalb der gewünschten Zeit oder in einem bestimmten Umfang ist unerheblich und bedeutet nicht, dass die Arbeitsleistung von Arbeitnehmenden fehlt. Arbeitnehmende genügen ihrer Leistungspflicht nämlich bereits, wenn sie unter angemessener Ausschöpfung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten.
Das Fazit
Das Urteil des Gerichts ist überzeugend. Die Grundsätze zur Beweisverteilung im Arbeitsrecht gelten auch für das Homeoffice. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass Arbeitgebende den Arbeitnehmenden pauschal und ohne nähere Darlegung einen Arbeitszeitbetrug unterstellen könnten. Die Situation des Homeoffice erfordert ein gewisses Maß an Vertrauen und Verantwortung. Eine klare Kommunikation auf beiden Seiten stärkt die vertrauensvolle Zusammenarbeit.