Bund und Kommunen
Vollumfängliche Vergütung einer 24-Stunden-Pflegekraft
Pflegekräfte, die 24 Stunden rund um die Uhr hilfebedürftige Menschen in ihrer häuslichen Umgebung pflegen, haben auch einen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns für die gesamte Betreuungs- und Bereitschaftszeit. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall einer bulgarischen Pflegekraft nunmehr entschieden (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. September 2022, Aktenzeichen 21 Sa 1900/19).
Der Fall
Im vorliegenden Fall war die Klägerin von ihrer bulgarischen Arbeitgeberin, der Beklagten, über eine deutsche Agentur nach Deutschland vermittelt worden, um eine über 90jährige Seniorin in ihrem Haushalt zu betreuen. Der Arbeitsvertrag wies 30 Wochenarbeitsstunden bei einer Nettovergütung von 950 Euro aus. Die Klägerin wohnte und arbeitete jedoch bei der Pflegebedürftigen, so dass erheblich mehr unbezahlte Arbeitsstunden anfielen. Bereits 2018 hatte die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) eine weitere Vergütung verlangt und Klage erhoben. Sie hatte geltend gemacht, rund um die Uhr, auch an den Wochenenden und nachts gearbeitet zu haben beziehungsweise in Bereitschaft gewesen zu sein. Die Beklagte bestritt dies und hat sich auf den vereinbarten Arbeitsvertrag berufen. Mehr sei auch nicht vereinbart gewesen.
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte bereits damals der Klage in weiten Teilen stattgegeben. Bei der anschließend von der Beklagten eingelegten Revision stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 20 in Verbindung mit § 1 MiLoG auch ausländische Arbeitgebende trifft, wenn sie Arbeitnehmende nach Deutschland entsenden. Dies gilt unabhängig davon, ob ansonsten auf das Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches Recht Anwendung findet. Da jedoch eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich war, hatte das BAG das Urteil aufgehoben und die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung
Das LAG Berlin-Brandenburg kam nach einer umfangreichen Beweisaufnahme zu dem Schluss, das sämtliche Betreuungs- und Bereitschaftszeiten der Klägerin von der Beklagten zu vergüten sind. Hierbei handelt es sich um über 38.000 Euro. Denn die Klägerin habe glaubhaft gemacht, dass sie die Betreuung der pflegebedürftigen Seniorin für 24 Stunden am Tag habe sicherstellen müssen. Hierzu war es erforderlich, neben der vergüteten Arbeitszeit „in erheblichem Umfang vergütungspflichtige Bereitschaftszeiten“ zu erbringen. Daher stehe der Klägerin der gesetzliche Mindestlohn für die genannten Zeiträume zu. Nur die Zeiten, in denen die zu Betreuende zum Beispiel Besuch von ihrer Familie erhielt oder mit Familienangehörigen im Restaurant war, lässt den Vergütungsanspruch entfallen. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen.
Das Fazit
Das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg und insbesondere die Ausführungen des BAG zu diesem Fall sind wegweisend. Denn nunmehr wurde klargestellt, dass ausländischen Betreuungskräften, die nach Deutschland entsandt werden, um in einem Privathaushalt zu arbeiten, grundsätzlich der Mindestlohn zusteht. Und das gilt nicht nur für die Arbeitszeit, sondern ebenso auch für die Bereitschaftszeit. Somit wurde klargestellt, wer eine 24-Stunden-Pflege in Anspruch nimmt, muss auch 24 Stunden bezahlen.