Bund und Kommunen
Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen zum Abbau streikbedingten Arbeitsrückstands
Das Interesse der DHL und ihrer Kunden an einem raschen Abbau streikbedingt liegengebliebener Sendungen rechtfertigt keine Ausnahme von der verfassungsrechtlich geschützten Sonn- und Feiertagsruhe und vom Schutz der Arbeitnehmer, auch wenn damit weitere Verzögerungen bei der Auslieferung abgemildert werden könnten (OVG Münster, Beschluss vom 10. Juli 2015, Aktenzeichen 4 B 792/15).
Der Fall
Ab dem 9. Juni 2015 wurden bundesweit und unbefristet die Zustelldienste der Post und deren Paketdienst DHL bestreikt. Dadurch war es zu einem erheblichen Stau nicht zugestellter Sendungen gekommen. Die Postunternehmen setzten Freiwillige und Aushilfskräfte ein, um auch an Sonntagen noch nicht zugestellte Sendungen zu verteilen. Das wurde den Postunternehmen durch die Aufsichtsbehörden untersagt. Unter anderem die Bezirksregierung Düsseldorf hatte den Postdienstleistungsunternehmen für den Regierungsbezirk Düsseldorf untersagt, ihre Mitarbeiter mit dem Austragen von Paketen, Päckchen und Briefen und mit sonstigen Postdienstleistungen an Sonn- und Feiertagen zu beschäftigen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung war im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Gegen die Unterlassungsverfügung haben die Postunternehmen Klage erhoben. Das hier klageführende Postunternehmen DHL beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Unterlassungsverfügung wiederherzustellen und scheiterte damit vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf.
Die Entscheidung
Die dagegen eingelegte Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hatte keinen Erfolg. Das VG Düsseldorf hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Gemäß § 9 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich an Sonntagen und staatlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr zum Schutz ihrer Arbeitsruhe nicht beschäftigt werden. § 10 Abs. 1 ArbZG lässt in wenigen Fällen Ausnahmen von dem Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung zu, sofern die Arbeiten insbesondere aus technischen oder aus Gründen des Zeitablaufs nicht an Wochentagen vorgenommen werden können. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht belegen können, dass der Abbau der rückständigen Sendungen auch unter Ausschöpfung aller arbeitsrechtlichen Maßnahmen nicht an Werktagen zu bewältigen ist. Darüber hinaus konnte sie auch nicht nachweisen, dass die Sonntagsarbeit Zeitgewinn bringen kann, weil den Arbeitnehmern gemäß §§ 6 Abs. 2, 11 Abs. 2 und 3 ArbZG als Ausgleich ein arbeitsfreier Wochentag einzuräumen ist. Auch den Hinweis der Antragstellerin, dass sie mit der Zustellung von Paketen und Briefsendungen eine öffentliche Aufgabe nach Art. 87f Abs. 1 und 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) wahrnimmt und daher ein überwiegendes öffentliches Interesse an der effektiven Erbringung von Postdienstleistungen besteht, hat das Gericht nicht gelten lassen, weil es nicht erkennbar sei, dass durch Zusatzarbeiten an Sonntagen drohende Nachteile für die Kunden signifikant verhindert werden könnten.
Das Fazit
Der vorliegende Beschluss ist zu begrüßen. Einmal geht es um die verfassungsrechtliche Garantie der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe. Ausnahmen hiervon sind nur zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich. Zu Recht hat das OVG das generelle Interesse der Absender und Empfänger von Postsendungen an einer zügigen Zustellung nicht höher eingeschätzt als das Bedürfnis der Arbeitnehmer an der Einhaltung ihrer Sonntagsruhe, die ohnehin nur zu einer überschaubaren zeitlichen Verzögerung geführt hätte. Zum anderen geht es darum, inwieweit die Öffentlichkeit die Auswirkungen eines Streiks hinzunehmen hat. Das verfassungsrechtlich über die Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Streikrecht der Gewerkschaften lässt es zu, dass sich die Streikfolgen auch auf unbeteiligte Dritte oder auf die Allgemeinheit erstrecken. Diese mittelbaren Folgen sind bei Streiks meist unvermeidlich.