„Flashmobs“ als Streikergänzung rechtmäßig

Eine gewerkschaftliche Aktion, bei der kurzfristig aufgerufene Teilnehmer durch verschiedene Aktionen eine Störung betrieblicher Abläufe herbeiführen („Flashmobs“) unterfallen der Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften nach Art. 9 Abs. 3 GG. (BAG, Urteil vom 22. September 2009 - 1 AZR 972/08)

Der Fall

Die beklagte Gewerkschaft führte anlässlich eines Arbeitskampfes im Einzelhandel eine so genannte „Flashmob-Aktion“ durch. Hierzu informierte sie kurzfristig per SMS 40 bis 50 Personen, die in einer Einzelhandelsfiliale des Klägers für ungefähr eine Stunde verschiedene Aktionen ausführen sollten. Einzelne Personen packten Einkaufswagen voll und ließen diese in den Gängen der Filiale zurück. Andere verursachten durch den Kauf einer großen Menge von Pfennigartikeln Warteschlangen an den Kassen. Eine weitere Teilnehmerin der Aktion begab sich mit einem mit Pfennigartikeln gefüllten Einkaufswagen zur Kasse und ließ die Artikel, nachdem sie von der Kassiererin eingegeben worden waren, mit der Begründung, kein Geld bei sich zu haben, an der Kasse zurück. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte derartige Aktionen zukünftig zu unterlassen habe, da diese eine unzulässige Betriebsblockade, einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und ein Aufruf zu Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Nötigung gewesen sei.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Die „Flashmob-Aktion“ stellte zwar einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers dar, war jedoch insgesamt gerechtfertigt. Die Aktion fand im Rahmen eines rechtmäßigen Arbeitskampfes statt und war auf eine Störung betrieblicher Abläufe zur Durchsetzung tariflicher Ziele gerichtet. Sie unterfällt damit dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Dieser gewährleistet die Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. Zur Betätigungsfreiheit gehört auch die Wahl der Kampfmittel. Ein Kampfmittel ist dann zulässig, wenn es verhältnismäßig ist. Für die Verhältnismäßigkeit ist unter anderem entscheidend, ob der Arbeitgeberseite Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dies war bei der vorliegenden „Flashmob-Aktion“ der Fall, die der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, sein Hausrecht auszuüben und die Teilnehmer der Aktion seiner Räumlichkeiten zu verweisen oder auch eine Betriebsschließung durchzuführen. Die Aktion war daher verhältnismäßig. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass es sich bei der Aktion um eine Betriebsblockade gehandelt habe oder Straftatbestände erfüllt wurden.

Das Fazit

Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften umfassend. Geschützt sind alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Die Gewerkschaften dürfen grundsätzlich frei wählen, mit welchen Mitteln sie die tarifvertragliche Regelung von Arbeitsbedingungen erreichen wollen, wenn diese verhältnismäßig sind. Arbeitskampfmaßnahmen sind geschützt, wenn sie zur Sicherstellung einer funktionierenden Tarifautonomie erforderlich sind. Dabei sind nicht nur bestimmte Formen des Streiks geschützt, sondern auch andere koalitionsspezifische Verhaltensweisen, die den Arbeitskampf unterstützen oder ergänzen. Dazu kann – wie im vorliegenden Fall entschieden – auch eine „Flashmob-Aktion“ gehören.

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