Bund und Kommunen
Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter bei der tariflichen Altersfreizeit
Bei Vorliegen einer tariflichen Regelung können ältere Beschäftigte ihre Wochenstunden bei vollem Gehalt reduzieren. Dies gilt auch für Teilzeitbeschäftigte, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 9. Juli 2024, Aktenzeichen 9 AZR 296/20).
Der Fall
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet war, der Arbeitnehmerin bezahlte Altersfreizeit zu gewähren. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/-innen in der feinkeramischen Industrie der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Dezember 2012 (MTV) Anwendung. In § 2a Ziffer 1 MTV ist geregelt, dass Arbeitnehmende, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, eine Altersfreizeit von zwei Stunden je Woche erhalten, jedoch diese Regelung nicht für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmende, die Kurzarbeit leisten, gilt. Die Arbeitnehmerin war bei dem Arbeitgeber in Teilzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Nach Beendigung des 58. Lebensjahres verlangte sie vom Arbeitgeber tarifliche Altersfreizeit von einer Stunde wöchentlich. Der Arbeitgeber lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Differenzierung zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften in § 2a Ziffer 1 Absatz 2 Satz 1 MTV sachlich gerechtfertigt sei. Er führte aus, dass diejenigen Beschäftigten, die weniger als die betriebsüblichen 38 Wochenstunden arbeiten, ihre Tätigkeit bereits in einem Umfang reduziert haben, die eine Altersfreizeit für sie nicht mehr erforderlich mache.
Die Entscheidung
Das Gericht sah dies anders und sprach der Arbeitnehmerin den Anspruch auf eine vergütete Altersfreizeit im Umfang von einer Stunde pro Woche zu. Der Anspruch auf Gewährung der tariflichen Altersfreizeit auch für Teilzeitbeschäftigte folgt aus § 2a Ziffer 1 MTV in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 TzBfG dürfen Arbeitnehmende, die in Teilzeit arbeiten, nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmende. Nach Maßgabe des § 2a Ziffer 5 MTV führt die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Fortzahlung des Entgelts bei den Begünstigten zu einer Erhöhung des Arbeitsentgelts pro Arbeitsstunde. Hingegen erhielten Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmende, obwohl sie das 58. Lebensjahr vollendet hätten, eine geringere Vergütung pro geleisteter Stunde, weil sich ihr Monatsentgelt nicht entsprechend erhöhe. Daher verstößt die in § 2a Ziffer 1 Absatz 2 Satz 1 MTV vorgesehene Beschränkung des Anspruchs nur auf Vollzeitbeschäftigte auch unter Beachtung des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien gegen § 4 Absatz 1 Satz 2 TzBfG und ist daher nichtig. Die teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin hat einen Anspruch auf Nachgewährung der Altersfreizeit in dem Umfang, der dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmenden entspricht.
Das Fazit
Das Bundesarbeitsgericht stellt in seiner Entscheidung klar, dass eine Tarifregelung, wie sie in § 2a MTV festgelegt ist, gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot von Teilzeitbeschäftigten gemäß § 4 Absatz 1 Satz 2 TzBfG verstößt. Die Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien aus Art. 9 Absatz 3 GG findet dort seine Grenzen, wo Tarifregelungen zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen.