Teilzeitbeschäftigter kann keine Erhöhung der Arbeitszeit erzwingen

Berücksichtigt ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der seine Arbeitszeit aufstocken möchte, trotz Eignung nicht bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes, geht der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB unter, sobald die freie Stelle besetzt ist. Der Arbeitgeber kann dann zwar zu Schadensersatz verpflichtet sein, dieser ist aber auf einen finanziellen Ausgleich beschränkt (BAG, Urteil vom 18. Juli 2017, Aktenzeichen 9 AZR 259/16).

Der Fall

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1989 als Krankenschwester beschäftigt. Sie war ab dem 1. August 2006 in unterschiedlichem zeitlichem Beschäftigungsumfang tätig. Seit Oktober 2011 wurde sie in Teilzeit mit 50 Prozent der Regelarbeitszeit einer Vollzeitarbeitskraft beschäftigt. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Hinweis auf § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ihr Interesse an einer Vollzeitstelle. Zum 1. April 2015 stellte die Beklagte fünf examinierte Krankenschwestern in Vollzeit ein, ohne die Klägerin vorab über die freien Stellen zu informieren. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe gemäß § 9 TzBfG einen Anspruch auf eine Vollzeitstelle. Mit ihrer Klage macht sie die Zustimmung zu einer Erhöhung ihrer Arbeitszeit von 19,5 Stunden pro Woche auf 39 Stunden pro Woche geltend. Die Klage hatte zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht (LAG) die Klage ab.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass die Beklagte nicht dazu verpflichtet ist, das Angebot der Klägerin, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 39 Stunden zu erhöhen, anzunehmen. Die Klägerin hat weder einen Aufstockungsanspruch aus § 9 TzBfG, noch ergibt sich ein solcher im Wege des Schadensersatzes. Grundsätzlich gibt § 9 TzBfG teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern einen Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung. Zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LAG, gab es im Betrieb der Beklagten allerdings keine freie Stelle mehr. Der Beklagten ist die Erfüllung des Anspruchs der Klägerin aus § 9 TzBfG durch die Besetzung der freien Stellen gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden. Der Umstand, dass die Klägerin regelmäßig Mehrarbeit in erheblichem Umfang geleistet hat, begründet ebenfalls keinen Anspruch. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einen neuen Arbeitsplatz schafft, auch nicht zum Abbau von Überstunden. Zwar steht der Klägerin Schadensersatz zu, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur vorrangigen Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung verletzt. Der Schadensersatzanspruch führt aber nicht dazu, die Arbeitszeit zu erhöhen und eine entsprechende Vertragsänderung in Form eines Vollzeitarbeitsvertrags abzuschließen. Ein solcher Anspruch widerspräche der Wertung des § 15 Abs. 6 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, wonach bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot grundsätzlich kein Anspruch auf die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses besteht. Es besteht lediglich ein Anspruch auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile.

Das Fazit

Das vorliegende Urteil ist zwar kritikwürdig, entspricht jedoch der geltenden Rechtslage. Der dbb setzt sich schon lange dafür ein, Teilzeitbeschäftigten einen Rückkehranspruch auf eine Vollzeitstelle zu garantieren. Ziel ist es unter anderem, Frauen, die wegen der Kindererziehung in eine Teilzeitbeschäftigung wechseln, den Einstieg in die Vollzeit zu erleichtern. Der Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode hatte festgeschrieben, einen entsprechenden Rechtsanspruch zu schaffen. Der Vertrag wurde aber in diesem Punkt nicht erfüllt. Der neue Bundesarbeitsminister Heil hat bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf angekündigt, der Beschäftigten ab dem 1. Januar 2019 das Recht auf befristete Teilzeit und Rückkehr in Vollzeit gewähren soll.

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