Urlaub – Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitgebenden

Die Arbeitgebenden haben konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmenden tatsächlich in der Lage sind, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten der Arbeitgebenden ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2019, Aktenzeichen 9 AZR 98/19).

Der Fall

In dem Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2011 bis 2013 abzugelten. Der Kläger war als Arbeitnehmer bei dem Beklagten, einem eingetragenen Verein, als Geschäftsführer / Leiter der Geschäftsstelle beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag hatte der Kläger Anspruch auf 34 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr. Zudem sah der Arbeitsvertrag eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 2012 vor. Mit Schreiben vom 29. Juni 2012 stellte der Beklagte den Kläger „einstweilen widerruflich“ frei. Der Kläger erhob erfolgreich eine Befristungskontrollklage. Im Verlauf des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Befristung bot der Beklagte dem Kläger ein Prozessrechtsarbeitsverhältnis entsprechend den bisherigen Bedingungen an. Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom 1. Oktober 2013 an und machte zugleich ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung wegen rückständiger Vergütung für die Monate Januar bis September 2013 geltend. 

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer vom Kläger erklärten ordentlichen Kündigung mit Ablauf des 31. Juli 2016. Mit seiner Klage begehrt der Kläger, 75 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2011 bis 2013 mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 8.928,80 Euro abzugelten. Die Verfahren sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht waren zunächst ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein auf Urlaubsabgeltung gerichtetes Klagebegehren weiter.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält die Revision des Klägers für begründet. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Die Annahme, der Urlaub des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2013 sei nach § 7 Absatz 3 BUrlG verfallen, werde von den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getragen. Nach neuer BAG-Rechtsprechung erlösche der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bei einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der / die Arbeitgeber / -in den / die Arbeitnehmer / -in zuvor in die Lage versetzt hat, seinen / ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der / die Arbeitnehmer / -in den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Arbeitgebende müssten Arbeitnehmende – gegebenenfalls förmlich – auffordern, ihren Urlaub zu nehmen, und ihnen klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahrs oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn sie ihn nicht beantragen. Da keine konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Erfüllung dieser Mitwirkungsobliegenheiten existierten, seien die Arbeitgebenden in der Auswahl der Mittel grundsätzlich frei. Sie müssten jedoch zweckentsprechend sein. Zudem habe der / die Arbeitgeber / -in seine / ihre Mitwirkungsobliegenheiten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Im vorliegenden Fall würden die Grundsätze der Befristung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs auch für den vertraglichen Mehrurlaub des Klägers gelten, da der Arbeitsvertrag nichts Abweichendes regle. Zudem ließe der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses die Mitwirkungsobliegenheiten des Beklagten nicht entfallen. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2012 hinaus stände der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Beklagten nicht entgegen. Entscheidend sei auch insoweit, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbestand. Auch sei der Anspruch nicht durch die Freistellung erfüllt worden, da diese nicht unwiderruflich erfolgte. Schließlich entfielen die Obliegenheiten des Arbeitgebers auch nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall berechtigt gewesen ist, den Urlaub ohne vorherige Genehmigung des Vorstands zu nehmen. 

Das Fazit

Das Urteil bekräftigt erneut, dass bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Absatz 1 Satz 1 BUrlG den Arbeitgebenden die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs trifft. Es darf davon ausgegangen werden, dass dies nun gefestigte Rechtsprechung ist.

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