EuGH bestätigt erneut Grundsätze zum Urlaubsanspruch

Wenn Arbeitnehmende vorzeitig in den Ruhestand wollen, aber den Urlaub nicht nehmen konnten, besteht trotzdem ein Anspruch auf eine finanzielle Vergütung (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2024, Aktenzeichen C-218/22).

Der Fall

Ein Arbeitnehmer in Italien arbeitete rund 24 Jahre bei der Gemeinde Copertino als Verwaltungsleiter, bevor er vorzeitig den Ruhestand antreten wollte. Er hatte noch insgesamt 79 Urlaubstage zur Verfügung, die er nicht in Anspruch genommen hatte. Für den nicht genommenen Urlaub verlangte er nun von der Gemeinde eine Vergütung. Die Gemeinde verweigerte dies und vertrat die Rechtsauffassung, dass eine Umwandlung nicht möglich sei. In Italien existiert nämlich eine Regelung für Arbeitnehmende des öffentlichen Dienstes, die besagt, dass nicht genommener Jahresurlaub nicht in Geld umgewandelt werden kann. Der Arbeitnehmer klagte, woraufhin das italienische Landesgericht im Wege des Vorabentscheidungsersuchens den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegte.

Die Entscheidung

Der EuGH widersprach der Entscheidung der Gemeinde. Die italienische Regelung stehe nicht im Einklang mit der europäischen Richtlinie zur Arbeitszeit. In Art. 7 der Arbeitszeit-Richtlinie ist geregelt, dass ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub besteht und dass dieser nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Vergütung ersetzt werden darf.

Der Verfall dieses Anspruchs ist damit nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die der EuGH in seinem Urteil nochmals benennt: Nur wenn Arbeitgebende nachweisen können, dass sie ihren Aufforderungs- und Informationspflichten gegenüber den Arbeitnehmenden nachgekommen sind, indem die einzelnen Arbeitnehmenden eindeutig aufgefordert wurden, den Urlaub zu nehmen, besteht der Anspruch nicht. Zudem müssen Arbeitgebende über entsprechende Fristen wie den Übertragungszeitraum informieren. Im Anschluss hieran muss dokumentiert werden, ob die Arbeitnehmenden dann freiwillig auf den Urlaub verzichtet haben. Lediglich unter diesen Voraussetzungen könne man dem Sinn und Zweck der Arbeitszeit-Richtlinie gerecht werden, da diese primär an die Erholung der Arbeitnehmenden anknüpft. Rein wirtschaftliche Überlegungen, wie etwa Einsparungen entsprechend der Begründung der italienischen Gemeinde, dürfen den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht tangieren beziehungsweise dem Anspruch übergeordnet werden.

Das Fazit

Das Gericht bestätigt damit seine bisherigen Grundsätze zum Urlaubsanspruch und Verfall. Übertragen auf das deutsche Recht sind die Auswirkungen des Urteils deshalb eher gering. Eine mit der italienischen Regelung vergleichbare Norm existiert im deutschen Recht nicht. Im Gegenteil: § 7 Absatz 4 des Bundesurlaubsgesetzes gibt bereits vor, dass nicht gewährter Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtend abzugelten ist. Jedoch steht nach diesem Urteil fest, dass das Bundesurlaubsgesetz enger gefasst ist als das Unionsrecht. Während gerade das Bundesurlaubsgesetz keinen Ausschluss einer Abgeltung regelt, stellt das Unionsrecht klar, dass ein Ausschluss der finanziellen Entschädigung durchaus erfolgen kann, wenn Arbeitgebende sorgfältig ihren Mitwirkungs- und Nachweispflichten gegenüber Arbeitnehmenden in Sachen Urlaubsanspruch nachkommen. Das Urteil betont damit nochmals die hohe Relevanz der Hinweisobliegenheit der Arbeitgebenden im deutschen Recht.

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