Bund und Kommunen
Startgutschriften der VBL-Zusatzversorgung für rentenferne Versicherte „unverbindlich“
Der Systemwechsel der Zusatzversorgung für Angestellte im öffentlichen Dienst zum Jahr 2002 und die Einführung von so genannten Startgutschriften benachteiligen womöglich bis zu 1,7 Millionen jüngere Beschäftigte. Das ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Das OLG erklärte die Umstellung in 16 Fällen für unwirksam, weil die Umstellung erheblich in das Eigentum jüngerer Beschäftigter eingreife und sie in ihren Grundrechten verletze. Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zahlt Versicherten im öffentlichen Dienst eine Zusatzrente, mit der die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgestockt wird. Mit Ablauf des Jahres 2001 hat die VBL ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung, die sich am Endgehalt der letzten drei Jahre orientiert, auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Der Systemwechsel beruht auf einer Einigung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung (ATV).
Die Tarifregelungen hat die VBL durch eine Neufassung ihrer Satzung (VBLS) rückwirkend zum Januar 2002 umgesetzt. Die neue Satzung enthält Übergangsregelungen für die im bisherigen Gesamtversorgungssystem von den Versicherten erlangten Rentenanwartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen. Dabei wird unterschieden zwischen rentennahen Jahrgängen (die am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr vollendet haben) und den jüngeren, rentenfernen Jahrgängen. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der ca. 1,7 Millionen Rentenfernen berechnen sich gemäß § 79 Absatz1 Satz 1 VBLS nach § 18 Abs. 2 BetrAVG. Die Vorschrift enthält Regelungen zur Höhe betrieblicher Versorgungsanwartschaften für Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versorgungsfalles aus einem Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst ausgeschieden sind. Das Landgericht Karlsruhe hatte zuvor mehrfach entschieden, dass durch die Neuregelung in unzulässiger Weise in bestehende Rentenanwartschaften eingegriffen werde und die VBL zur Gewährung einer höheren Betriebsrente verpflichtet. Dagegen sind beim Oberlandesgericht Karlsruhe zahlreiche Berufungen der VBL und der Versicherten eingegangen. Das OLG hat festgestellt, dass die von der Beklagten erteilte Startgutschrift den Wert der von der Kläger bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das OLG in allen Verfahren die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. September 2005 - 12 U 99/04)