Information des Betriebsrats zu Vorstrafen

Wird der Betriebsrat im Rahmen einer Versetzung beteiligt, so muss er grundsätzlich nicht über Vorstrafen des Arbeitnehmers unterrichtet werden (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2023, Aktenzeichen 26 TaBV 920/22).

Der Fall

Der Arbeitgeber betreibt ein Berufsförderungswerk, bei dem A. zunächst als Reha-Ausbilder tätig war. Er bewarb sich intern auf die Stelle eines Bereichsleiters der Abteilung „Integration und Qualifizierung / Bereich Steuern und Verwaltung“. Der Arbeitgeber hörte den Betriebsrat schriftlich zu der geplanten Versetzung an. Das Schreiben ging am 22. März 2022 zu. Danach wurde der Betriebsratsvorsitzende von der Belegschaft mehrfach darauf angesprochen, dass A. Straftaten begangen haben solle. Außerdem wandten sich zwölf Mitarbeitende an die Geschäftsführung und baten sie, die Personalie „zu überdenken“, da es sich bei A. um einen Wiederholungstäter handele, der vorsätzlich Straftaten begangen habe, darunter Untreue, Urkundenfälschung sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis und ohne Pflichtversicherung. Der Betriebsrat forderte den Arbeitgeber daraufhin auf, ihm eine Liste aller Verurteilungen des A. auszuhändigen und ihm Einsicht in einen aktuellen Auszug aus dem Führungszeugnis zu gewähren. Der Arbeitgeber verweigerte dies mit der Begründung, diese Informationen seien für die Versetzungsentscheidung nicht relevant, da die Vorkommnisse bereits länger zurücklägen oder in keinem Zusammenhang mit dem betrieblichen Geschehen stünden. Der Betriebsrat wiederum verweigerte sodann die Zustimmung zu der Versetzung, da die Besorgnis einer Störung des Betriebsfriedens bestehe. Das entsprechende Schreiben ging dem Arbeitgeber am 4. April 2022 zu. Der Arbeitgeber führte die Versetzung gleichwohl durch und leitete auch kein Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Vor Gericht verlangte der Betriebsrat die Aufhebung der Versetzung seitens des Arbeitgebers. Die Zustimmung des Betriebsrats gelte nicht gemäß § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG als erteilt, da das Schreiben vom 22. März nicht sämtliche erforderlichen Angaben enthalten habe, sodass die Wochenfrist hierdurch nicht in Gang gesetzt worden sei.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) sah dies anders. Der Arbeitgeber habe den Betriebsrat nicht über die Vorstrafen des Arbeitnehmers informieren müssen, sodass für den Beginn der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG die Zustellung des Schreibens am 22. März 2022 maßgeblich sei. Die Zustimmung gelte deswegen als erteilt, ohne dass sich der spätere Widerspruch auswirke. Zwar sei Voraussetzung für die Zustimmungsfiktion die ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG; diese sei aber erfolgt. Der Arbeitgeber müsse nur das mitteilen, was aus seiner Sicht für die Durchführung der beabsichtigten Maßnahme entscheidend sei (so genannter Grundsatz der subjektiven Determination). Hinsichtlich Vorstrafen könne eine parallele zum Fragerecht beim Einstellungsvorgang gezogen werden. Der Arbeitgebende dürfe hier nach bekannten Vorstrafen nur fragen, wenn sich aus diesen Rückschlüsse auf die fachliche Eignung (zum Beispiel Verkehrsdelikte von Kraftfahrenden) oder eine mögliche Gefährdung des Betriebsfriedens (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG) ziehen ließen. Wenn die Vorstrafen sich nicht auf einen Umstand bezögen, der eine Zustimmungsverweigerung rechtfertigen könne, gebe es auch keine Informationspflicht aus § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Hinsichtlich der möglichen Störung des Betriebsfriedens seien strenge Maßstäbe anzulegen. Das Gesetz stelle nicht auf Stimmungen in der Belegschaft ab. Vielmehr müssten in der Vergangenheit liegende Tatsachen objektiv die Prognose künftiger Störungen des Betriebsfriedens rechtfertigen. An der Wahrscheinlichkeit eines gesetzwidrigen Verhaltens oder eines Verstoßes gegen die Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG dürfe letztlich kein Zweifel bestehen. Es gebe aber keine Anhaltspunkte, dass sich eine Straftat, wie sie A. in der Vergangenheit begangen habe, im Vermögensbereich des Arbeitgebers wiederholen werde – insbesondere, weil er nicht in einem entsprechenden Bereich tätig sei. Von einer Gefahr für die Mitarbeitenden könne auch nicht ausgegangen werden, da trotz langjähriger Tätigkeit des A. im Betrieb keine entsprechenden Verfehlungen bekannt seien.

Das Fazit

Das Urteil löst den Spagat zwischen dem Informationsinteresse des Betriebsrats und dem Persönlichkeitsschutz der Mitarbeitenden auf schlüssige Weise. Während auf der einen Seite die Bedenken der Belegschaft gegen Mitarbeitende mit zahlreichen Vorstrafen – vor allem, wenn sie in eine Leitungsfunktion versetzt werden sollen – nachvollziehbar erscheinen, hat der / die einzelne Mitarbeitende auf der anderen Seite auch ein Recht darauf, dass private Informationen – gerade dann, wenn sie bei Verbreitung zu einer ablehnenden Haltung der Kolleginnen und Kollegen führen können – nur dann weitergegeben werden, wenn dies wegen der Art des Arbeitsplatzes erforderlich ist. Das Gericht hat hier nachvollziehbar eine Parallele zum Fragerecht beim Einstellungsvorgang gezogen: Was dort nicht gefragt werden darf, muss auch nicht im Rahmen der Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG mitgeteilt werden.

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