Leitung einer „großen Gruppe“ – Berücksichtigung von Freiwilligen im Bundesfreiwilligendienst bei der Eingruppierung

Für die Beurteilung einer „großen Gruppe“ im Sinne der Entgeltgruppe P 11 Entgeltordnung TVöD/VKA werden Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienst (BFDG) zahlenmäßig nicht zu den unterstellten Beschäftigten im Tarifsinne gezählt. Dennoch werden sie bei der Eingruppierung berücksichtigt, wenn sich durch sie die Anzahl von fachlich unterstellten Personen erhöht und dadurch der Koordinierungsaufwand für die Leitenden steigt (BAG, Urteil vom 24. Februar 2021, Aktenzeichen 4 AZR 309/20).

Der Fall

Die Klägerin ist Leiterin des pflegerischen Dienstes in einer vom Beklagten betriebenen Förderschule. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD/VKA Anwendung. Die Klägerin ist Fachvorgesetzte von acht Pflegefachkräften sowie acht Pflegehilfskräften. Als Pflegehilfskraft werden Freiwillige nach dem BFDG oder dem Jugendfreiwilligendienstgesetz (JFDG) eingesetzt. Die Pflegehilfskräfte führen nach Einweisung und unter Aufsicht selbstständig grundpflegerische Aufgaben, wie das Wechseln von Windelhosen oder das Anreichen von Essen, aus. Der Beklagte vergütet die Klägerin nach Entgeltgruppe P 10 Entgeltordnung TVöD/VKA. Er ist der Auffassung, die Klägerin leite eine Gruppe, aber keine „große“ Gruppe. Die Freiwilligen nach dem BFDG würden hier nicht angerechnet, da sie nicht fachlich Unterstellte im Tarifsinne seien. Nach der Entgeltordnung TVöD/VKA stellt die Gruppenleitung die unterste Leitungsebene dar. Dieser sind in der Regel nicht mehr als neun Beschäftigte unterstellt. Die Klägerin beantrage eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe P 11 Entgeltordnung TVöD/VKA. Sie macht unter anderem geltend, dass sie Leiterin einer „großen Gruppe“ im Sinne Tarifsinne sei, da ihr mehr als neun Beschäftigte unterstellt seien. Neben den Pflegefachkräften seien auch die Pflegehilfskräfte als Beschäftigte anzusehen.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung nach Entgeltgruppe P 11 Entgeltordnung TVöD/VKA hat. Bei dem pflegerischen Dienst der Förderschule handle es sich um eine „große Gruppe“ im Sinne der Entgeltgruppe P 11 Fallgruppe 1 Entgeltordnung TVöD/VKA. Eine „große Gruppe“ liege regelmäßig vor, wenn deren Leitung mehr als neun Beschäftigte fachlich unterstellt sind. Dabei stelle dieser Unterstellungsgrenzwert keine starre Grenze zwischen den Entgeltgruppen P 10 und P 11 dar, sondern bestimme lediglich „in der Regel“ die Abgrenzung zu einer „großen Gruppe“. Auch andere Faktoren könnten eine Gruppe als „groß“ erscheinen lassen. Es sich bei der durch die Klägerin geleiteten Gruppe nicht bereits aufgrund der Anzahl der fachlich unterstellten Beschäftigten um eine „große Gruppe“. Lediglich die Pflegefachkräfte würden hier dazuzählen, nicht aber die Freiwilligen nach dem BFDG. Zwar seien die Freiwilligen der Klägerin fachlich unterstellt, sie seien aber keine Beschäftigten im Tarifsinn. Der Wortlaut des Tariftextes sei hier eindeutig. Unterstellte Beschäftigte müssten grundsätzlich in einem Arbeitsverhältnis stehen. Eine Ausnahme hiervon sei lediglich für verbeamtete Personen getroffen worden. Durch den Bundesfreiwilligendienst würde kein Arbeitsverhältnis begründet. Es handle sich hier um einen „öffentlichen Dienst des Bundes eigener Art“. Dennoch leite die Klägerin aufgrund der besonderen Struktur der Gruppe eine „große Gruppe“ im Tarifsinn. Die Unterstellung der Freiwilligen nach dem BFDG begründeten zusätzlich zu den unterstellten Beschäftigten für die Klägerin einen derart erhöhten Koordinierungsaufwand, dass sich die Gruppe in ihrer Struktur als „groß“ darstelle. Der Koordinierungsaufwand für die Leiterin einer Gruppe steige mit der Anzahl der fachlich unterstellten Personen und zwar unabhängig von der Rechtsnatur des dem Unterstellungsverhältnis zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. Die Klägerin müsse die Einweisung der Freiwilligen in ihre Tätigkeit als Pflegehilfskräfte koordinieren, sie im Dienstplan berücksichtigen, ihnen Aufgaben zuweisen und deren Bearbeitung kontrollieren. Die Freiwilligen seien ihr insoweit in gleichem Maße fachlich unterstellt wie Beschäftigte und erhöhen die quantitativen Anforderungen an ihre Leitungstätigkeit ebenso, wie wenn ihr die entsprechende Anzahl weiterer Beschäftigter im Tarifsinn unterstellt wäre. Damit seien der Klägerin insgesamt 16 Personen fachlich unterstellt, was zu einer Bejahung einer „großen Gruppe“ im Sinne der Entgeltgruppe P 11 Entgeltordnung TVöD/VKA führe.

Das Fazit

Das Urteil zeigt erneut, dass die Tarifvertragsparteien des TVöD den Aufbau der Organisationsstruktur für Leitungskräfte in der Pflege nicht mit starren Grenzen, sondern praxistauglich geregelt haben. Denn obwohl im vorliegenden Fall der einschlägige Unterstellungsgrenzwert nicht erreicht wurde, wird der Mehraufwand der Klägerin durch die höhere Eingruppierung honoriert.

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