Eingruppierung – Tarifautomatik

Nach den tariflichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes folgt aus der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale unmittelbar ein entsprechender tariflicher Entgeltanspruch, ohne dass es einer weiteren Maßnahme der Arbeitgebenden bedarf. Diese so genannte Tarifautomatik wurde im vorliegenden Fall nicht durch eine abweichende Regelung im Arbeitsvertrag ausgeschlossen (BAG, Urteil vom 2. Juni 2021, Aktenzeichen AZR 387/20).

Der Fall

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Ansprüche auf Zahlung von Differenzentgelt. Der nicht tarifgebundene Kläger ist bei einer Hochschule des Landes Baden-Württemberg beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag gilt für das Arbeitsverhältnis unter anderem der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).

Weiterhin heißt es dort unter § 4 / Eingruppierung: „Die Einstellung erfolgt für Tätigkeiten der Entgeltgruppe 11 TV-L“. Der Kläger war der Auffassung, nach Entgeltgruppe 12 TV-L vergütet zu werden. Er sei nicht für „Tätigkeiten der Entgeltgruppe 11 TV-L“, sondern für die Ausübung in der in der Stellenbeschreibung beschriebenen Tätigkeiten eingestellt worden. Diese hätten auch im Streitzeitraum das tarifliche Tätigkeitsmerkmal erfüllt. Das beklagte Land erwiderte, dass im Arbeitsvertrag die Entgeltgruppe verbindlich festgelegt worden sei. Die Parteien hätten vereinbart, dass dem Kläger nur Tätigkeiten der Entgeltgruppe 11 TV-L zugewiesen werden könnten. Damit der Grundsatz der Tarifautomatik greifen könne, bedürfe es zwingend eines abstrakten, mehrere Entgeltgruppen umspannenden Tätigkeitsrahmens, wie der Entgeltordnung. Daran fehle es hier. Der Kläger erfüllte im Streitzeitraum das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 12 der Entgeltordnung des TV-L. Im Streit stand lediglich die Frage, ob § 4 des Arbeitsvertrags eine andere Entgeltgruppe verbindlich festlegt.

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung des Differenzentgelts zwischen den Entgeltgruppen 11 und 12 TV-L für den streitigen Zeitraum hat. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die tariflichen Bestimmungen, insbesondere der TV-L uneingeschränkt, und somit auch die tariflichen Bestimmungen über die Eingruppierung, Anwendung. Die Auslegung des vorliegenden Arbeitsvertrags ergebe, dass die Regelung in § 4 keine von der Tarifautomatik abweichende Regelung über die Höhe des Entgelts enthalte. Das BAG führte eine Kontrolle nach den Vorgaben für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Kontrolle) durch und kam zu dem Ergebnis, dass die Regelung eine rein deklaratorische Angabe der Entgeltgruppe darstellt. Die Kontrolle erfolgte unter Berücksichtigung des gesamten Vertragsinhalts und der Interessen der beteiligten Verkehrskreise, der unmittelbar tarifgebundenen Arbeitgebenden des öffentlichen Dienstes auf der einen und deren Beschäftigten auf der anderen Seite. Für das Ergebnis spräche unter anderem die umfassende Bezugnahme des Tarifrechts durch die Überschrift „Anwendung tariflicher Bestimmungen“ im Arbeitsvertrag. Damit würden also auch die tariflichen Bestimmungen über die Eingruppierung vollständig mitumfasst. Zudem enthalte der Vertrag keine einschränkenden Formulierungen, die auf eine bloße teilweise Tarifanwendung hindeuten könnten. Auch die Verwendung tariflicher Begrifflichkeiten sowie die Benennung des Vertrags als „Arbeitsvertrag für Beschäftigte, für die der TV-L gilt“ spricht dafür. § 4 des Arbeitsvertrags sei so zu verstehen, dass der Arbeitgeber lediglich seiner Verpflichtung zur Angabe der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag nach § 12 Absatz 2 TV-L nachkomme.

Das Fazit

Die Rechtsprechung geht von der Annahme aus, dass Arbeitgebende des öffentlichen Dienstes grundsätzlich einheitlich für alle dem tariflichen Geltungsbereich unterfallenden Beschäftigten das gewähren wollen, was Arbeitnehmenden tariflich zusteht. Wenn Arbeitgebende eine von den tariflichen Regelungen abweichende – zu Lasten von Arbeitnehmenden – Vereinbarung treffen möchten, muss dies im Arbeitsvertrag hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen.

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