Bund und Kommunen
Regelungsabreden von Betriebsparteien haben keine Nachwirkung
Anders als eine Betriebsvereinbarung wirkt eine Regelungsabrede der Betriebsparteien nach einer Kündigung nicht entsprechend § 77 Abs. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nach. Dies gilt auch, soweit die Regelungsabrede eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit betrifft (BAG, Beschluss vom 13. August 2019, Aktenzeichen 1 ABR 10/18).
Der Fall
Im vorliegenden Fall ging es um die richtige Eingruppierung einer neu eingestellten Maschinenhelferin. Die Arbeitgeberin, eine Druckerei mit circa 360 Mitarbeitenden, hat mit einer Gewerkschaft einen Tarifwechsel zu einem Tarifvertrag mit geringeren Entgelten vereinbart. Dabei hat sie sich jedoch verpflichtet, den bislang beschäftigten Arbeitnehmenden eine Zulage zu zahlen. Die Zulage ergab sich aus einer festgelegten Zwischenlohngruppe eines Überleitungstarifvertrags. Zudem vereinbarten die Druckerei und der Betriebsrat eine Regelungsabrede mit dem Inhalt, dass auch später eingestellte Arbeitnehmende in die höheren Zwischenlohngruppen eingruppiert werden. Die Arbeitgeberin kündigte diese Regelungsabrede nach einigen Jahren, um die eingestellten Arbeitnehmenden künftig nicht mehr nach der Zwischenlohngruppe, sondern nach der tariflichen Lohngruppe zu bezahlen. So auch die neu eingestellte Maschinenhelferin. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Eingruppierung unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nummer 1 BetrVG. In dem gerichtlichen Zustimmungsverfahren beantragte der Betriebsrat unter anderem die Feststellung der Nachwirkung der gekündigten Regelungsabrede.
Die Entscheidung
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass die von der Arbeitgeberin gekündigte Regelungsabrede der Beteiligten nicht entsprechend § 77 Abs. 6 BetrVG nachwirkt. Die Vorschrift sehe die Nachwirkung lediglich für Regelungen einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung vor. Wird eine Betriebsvereinbarung, die mitbestimmungspflichtige Regelungen enthält, gekündigt, wirkt sie nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig weiter, bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt wird (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Danach wirken solche Betriebsvereinbarungen auch für die im Weitergeltungszeitraum neu in den Betrieb eingestellten Arbeitnehmenden. Damit verhindere die Vorschrift nicht nur den Eintritt eines regelungslosen Zustands für bereits beschäftigte Arbeitnehmende, sondern sie bezwecke gleichzeitig die Wahrung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte, indem sie den Bestimmungen einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung nach deren Ablauf im gesamten Betrieb Weitergeltung verschafft.
Da Regelungsabreden der Betriebsparteien – selbst wenn diese in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit getroffen wurden – nicht unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmenden im Betrieb wirken (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG), kann die Rechtsfolge aus § 77 Abs. 6 BetrVG nicht auf Regelungsabreden übertragen werden. Unabhängig davon beträfe die vorliegende gekündigte Regelungsabrede auch keine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit.
Das Fazit
In dieser Grundsatzentscheidung hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und klargestellt, dass die gesetzlich angeordnete Nachwirkung nur für gekündigte Betriebsvereinbarungen gilt. Um keinen regelungslosen Zustand im Betrieb auszulösen, sollten mitbestimmungspflichtige Themen daher in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.