Arbeitskampf mittels Flashmob

Eine Gewerkschaft kann im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung auch zu einer “Flashmob-Aktion” aufrufen. Die hierzu erfolgte Auslegung des Arbeitskampfrechts durch die Arbeitsgerichte berücksichtigt die durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geschützte Koalitionsfreiheit des betroffenen Arbeitgebers hinreichend (BVerfG, Beschluss vom 9. April 2014, Aktenzeichen 1 BvR 3185/09).

Der Fall

Die im Ausgangsverfahren beklagte Gewerkschaft veröffentlichte während eines Streiks im Einzelhandel ein virtuelles Flugblatt mit der Frage „Hast Du Lust, Dich an Flashmob-Aktionen zu beteiligen?“, bat Interessierte um die Handy-Nummer, um diese per SMS zu informieren, wenn man gemeinsam „in einer bestreikten Filiale, in der Streikbrecher arbeiten, gezielt einkaufen gehen“ wolle, „z.B. so: Viele Menschen kaufen zur gleichen Zeit einen Pfennig-Artikel und blockieren damit für längere Zeit den Kassenbereich. Viele Menschen packen zur gleichen Zeit ihre Einkaufswagen voll (…) und lassen sie dann stehen.“ Im Dezember 2007 führte die Gewerkschaft in einer Filiale eines Einzelhandelsunternehmens eine solche Flashmob-Aktion durch, an der sich etwa 40 bis 50 Personen beteiligten. Die Aktion dauerte zwischen 45 und 60 Minuten. Der Beschwerdeführer, ein Arbeitgeberverband für den Einzelhandel, begehrte die gerichtliche Untersagung von weiteren Aufrufen zu derartigen Flashmobs. Die Klage blieb vor den Arbeitsgerichten in allen Instanzen erfolglos. Dagegen legte der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein.

Die Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verletzen nach Ansicht des BVerfG nicht die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit des Beschwerdeführers. Der Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht auf Streik und Aussperrung als die traditionell anerkannten Formen des Arbeitskampfs beschränkt. Die Orientierung des BAG am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist insofern nicht zu beanstanden. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in seiner Koalitionsfreiheit lässt sich durch die angegriffenen Urteile nicht feststellen. Das BAG berücksichtigt insbesondere, dass sich durch die Teilnahme Dritter an Flashmob-Aktionen die Gefahr erhöhen kann, dass diese außer Kontrolle geraten. Es setzt der Teilnahme Dritter daher auch rechtliche Grenzen. So muss der Flashmob als gewerkschaftlich getragene Arbeitskampfmaßnahme erkennbar sein, was auch für Schadensersatzforderungen der Arbeitgeber bei rechtswidrigen Aktionen von Bedeutung ist. Das BAG hat sich nach Ansicht des BVerfG auch mit der Frage nach wirksamen Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberseite gegen einen streikbegleitenden Flashmob intensiv auseinandergesetzt. Es ist nicht Aufgabe des BVerfG, eine eigene Einschätzung zur praktischen Wirksamkeit von Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite an die Stelle derjenigen der Fachgerichte zu setzen, solange diese nicht einer deutlichen Fehleinschätzung folgen. Eine solche ist hier nicht erkennbar. Das BAG berücksichtigt insbesondere auch die Interessen der Arbeitgeberseite. Die fachgerichtliche Einschätzung, das Hausrecht und die vorübergehende Betriebsstilllegung seien als wirksame Verteidigungsmittel anzusehen, ist verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden.

Das Fazit

Das BVerfG hat das BAG-Urteil vom 22. September 2009, Aktenzeichen 1 AZR 972/08, nicht beanstandet. Das BAG hat die Rechte beider Seiten abgewogen und hinreichend berücksichtigt. Ob sich eine Gewerkschaft koalitionsspezifisch betätigt, richtet sich grundsätzlich nicht nach der Art des gewählten Mittels, sondern nach dem verfolgten Zweck. Es gehört zum Wesen eines Arbeitskampfs, dass die Arbeitnehmerseite versucht, betriebliche Abläufe gezielt zu stören. Die Gewerkschaften sind dabei in der Wahl ihrer Mittel grundsätzlich frei. Zentraler Maßstab ist immer die Verhältnismäßigkeit. Flashmobs dürfen nicht zu einer vollständigen Blockade führen und den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig hart treffen. Auch müssen sie als gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahme erkennbar sein. Die Aktionen sind auch deshalb zulässig, weil der Arbeitgeber auch die Möglichkeit hat, sich zu wehren.

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