Verbreitung eines Streikaufrufs im Intranet

Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account für die betriebsinterne Verbreitung eines Streik-aufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen (BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2013, Aktenzeichen 1 ABR 31/12).

Der Fall

Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik mit 870 Beschäftigten. Der Vorsitzende des Betriebsrats und sein Stellvertreter sind Gewerkschaftsmitglieder. Im Rahmen von Tarifverhandlungen rief die Gewerkschaft zu einem Warnstreik auf. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende leitete den Streikaufruf an die Belegschaft des Krankenhauses per E-Mail weiter, die er von seinem dienstlichen E-Mail-Account absandte. In seiner E-Mail rief „die Betriebsgruppe ver.di“ alle Beschäftigten auf, sich an dem Warnstreik zu beteiligen. Als Unterzeichner waren für die „Betriebsgruppe ver.di“ sein Name und der Name des Betriebsratsvorsitzenden angegeben, deren Durchwahlnummern im Betriebsratsbüro und die privaten Handynummern. Nach einer Anordnung der Arbeitgeberin ist die Nutzung ihres Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten. Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, ihr stehe wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Unterlassungsanspruch zu und verklagte den Betriebsratsvorsitzenden und den Stellvertreter. Gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind Maßnahmen des Arbeitskampfs zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende hat sich darauf berufen, nicht in seiner Funktion als solcher, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt zu haben. Seiner Ansicht nach habe die Arbeitgeberin zum Schutze seiner individuellen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden.

Die Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde war teilweise erfolgreich. Der Unterlassungsantrag gegen den Betriebsratsvorsitzenden wurde zurückgewiesen, da er nicht selbst gehandelt hatte und keine Wiederholungsgefahr besteht. Der Unterlassungsanspruch gegen den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden hatte hingegen Erfolg. Nach Ansicht des BAG ergibt sich dieser allerdings nicht aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, sondern aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen. Hierfür ist unerheblich, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene Intranetzugang in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt wurde. Nach Auffassung des BAG ist die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet zu dulden. Von ihr kann nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen.

Das Fazit

Das BAG hat unabhängig von der Frage der Neutralitätsverpflichtung des Betriebsrats entschieden, dass es einem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, dass für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellte E-Mail-Accounts für die betriebsinterne Verbreitung von Streikaufrufen verwendet werden. Das gilt für alle Beschäftigten, nicht nur für Betriebsräte. Nach uns vorliegenden Informationen habe das BAG jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall die kollektive Koalitionsfreiheit nicht tangiert sei. Es gehe vielmehr um die individuelle Koalitionsfreiheit des Einzelnen. Auch wurde dem Antrag der Arbeitgeberin hinsichtlich einer Nutzung der Telefonanlage und der Angabe von Durchwahlnummern nicht entsprochen. Dem Antrag der Arbeitgeberin, die Nutzung sämtlicher sachlicher Mittel der Arbeitgeberin für den Streik-aufruf und die Durchführung des Streiks durch die Gewerkschaft zu untersagen, wurde ebenfalls nicht stattgegeben. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Entscheidung auch keine Auswirkung auf die BAG-Entscheidung zur Mitgliederwerbung vom 20. Januar 2009, Aktenzeichen 1 AZR 515/08, und die Entscheidung des LAG Hessen vom 20. August 2010, Aktenzeichen 19 Sa 1835/09, zur Nutzung betrieblicher E-Mail-Accounts haben wird. Eine abschließende Bewertung dieses BAG-Beschlusses kann jedoch erst nach der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe vorgenommen werden.

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