Bund und Kommunen
Umfang der Zugangsbehinderung im bestreikten Betrieb
Es kann rechtlich zulässig sein, den Zugang zu einem rechtmäßig bestreikten Betrieb für Arbeitswillige und Dritte für einen angemessenen Zeitraum etwa durch die Bildung von Menschenketten zu behindern (LAG Hamburg, Urteil vom 6. Januar 2013, Aktenzeichen 5 SaGa 1/12).
Der Fall
Die Klägerin ist ein nicht tarifgebundenes Unternehmen mit knapp 200 Mitarbeitern. Die Beklagte ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Beide Parteien verhandelten über einen Haustarifvertrag. Der ebenfalls beklagte Verhandlungsführer der Gewerkschaft brach die Verhandlungen mit der Klägerin ab, erklärte diese für gescheitert und rief zum Warnstreik auf. Im Rahmen einer Urabstimmung sprach sich die Mehrheit der Tarifkommission für einen unbefristeten Streik aus, woraufhin die Hälfte der Belegschaft die Arbeit niederlegte. Es kam durch Streikende zu Blockaden der Ein- und Ausfahrten. Teilweise wurden vor den Zugängen Fahrzeuge abgestellt und Menschenketten gebildet. Streikposten haben sich Arbeitswilligen in den Weg gestellt. Insgesamt kam es zu erheblichen Verzögerungen beim Zutritt, Lieferanten kehrten um. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens der Klägerin wurde die Beklagte unter anderem dazu verpflichtet, es zu unterlassen, während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen Ein- und Ausfahrten zu blockieren und zu behindern, vor den Eingängen Menschenketten oder Menschentrauben zu bilden und physisch auf arbeitswillige Arbeitnehmer einzuwirken. Die Beklagten wandten sich mit einem Widerspruch gegen den erstinstanzlichen Beschluss. Aus ihrer Sicht schränke dieser ihren grundgesetzlich gesicherten Anspruch aus Art. 9 Grundgesetz auf Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeit ein. Nach Ansicht der Beklagten sei bei einem rechtmäßigen Streik mit Behinderungen von Arbeitswilligen und anderen Personen durch Ansprache und Information zu rechnen. Behinderungen in einem Umfang von bis zu 15 Minuten seien hinzunehmen.
Die Entscheidung
Das LAG Hamburg gab den Beklagten teilweise recht und hat entschieden, dass eine Zugangsbehinderung im Rahmen eines rechtsmäßigen Arbeitskampfs bis zu einer Dauer von 15 Minuten zulässig ist. Zentraler Maßstab für die Beurteilung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Arbeitskampfs ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Rahmen dessen ist eine Würdigung vorzunehmen, ob ein Kampfmittel zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfziels geeignet und erforderlich ist und bezogen auf das Kampfziel angemessen eingesetzt wird. Eine zeitlich unbeschränkte Behinderung wäre nicht verhältnismäßig, da sie einer Blockade gleichkäme und in unzulässiger Weise in das Eigentumsrecht der Klägerin und in die Handlungsfreiheit der am Zugang behinderten Personen eingreifen würde. Die Zugangsbehinderung ist jedoch dann angemessen, wenn sie zeitlich beschränkt ist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass eine zeitliche Behinderung von 15 Minuten insgesamt verhältnismäßig ist und die Kampfparität gewahrt bleibt. Die Zeit reicht aus, um Streikunwillige aufzuhalten und anzusprechen sowie um Druck auszuüben, ohne den Arbeitgeber an einer eigenen Kampfreaktion zu hindern.
Das Fazit
Im Rahmen eines rechtmäßigen Streiks sind Betriebsblockaden als Eigentumsverletzung und Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Streikrechts in der Regel rechtswidrig. Eine Zugangsbehinderung, die in diese Rechte eingreift, ist allerdings dann erlaubt, wenn sie nicht einer Blockade gleichkommt, sondern zeitlich beschränkt ist und insgesamt die Kampfparität zwischen den Parteien gewahrt bleibt.