Schadensersatz bei Überschreiten der wöchentlichen Höchstarbeitszeit

Beschäftigte im Öffentlichen Dienst können gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn die nach europäischem Recht zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wurde (EuGH, Entscheidung vom 25. November 2010, Aktenzeichen C-429/09).

Der Fall

Der Kläger des Ausgangsverfahrens, das der vorliegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zugrunde liegt, ist Kommunalbeamter und bei der Stadt Halle als Feuerwehrmann beschäftigt. Bis zum Ende des Jahres 2006 betrug seine Arbeitszeit 54 Stunden pro Woche, wobei hierbei auch Bereitschaftsdienst eingerechnet war. Die europarechtlichen Richtlinien 93/104/EG und 2003/88/EG sehen hingegen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden, grundsätzlich inklusive Bereitschaftsdienst, vor. Im Dezember 2006 machte der Kläger gegenüber der beklagten Stadt Halle die Einhaltung dieser Höchstarbeitszeit sowie eine Abgeltung der in den Jahren 2004 bis 2006 über die 48 Stunden hinaus geleisteten Arbeit geltend. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Ausgleich ab. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das Verwaltungsgericht legte dem EuGH die Fragen vor, ob Beschäftigte im Öffentlichen Dienst gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Ausgleichsanspruch haben können, wenn die nach der Richtlinie zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wurde, welche weiteren Voraussetzungen für einen eventuellen Anspruch vorliegen müssen und in welcher Form ein eventueller Ausgleich erfolgen kann.

Die Entscheidung

Der EuGH hat die Fragen zugunsten des Klägers im Ausgangsverfahren beantwortet. Ein Beschäftigter im öffentlichen Sektor kann unmittelbar gegenüber dem Staat einen Ausgleichsanspruch haben, wenn die in den Richtlinien 93/104/EG und 2003/88/EG festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden überschritten wurde. Der Beschäftigte kann sich hierbei direkt auf europäisches Recht stützen. Voraussetzung für eine Haftung des Staates ist der Ablauf der Frist zur Umsetzung der europarechtlichen Richtlinien in nationales Recht. Die Frist zur Umsetzung der hier zugrunde liegenden Richtlinien in nationales Recht ist bereits abgelaufen. Des Weiteren müssen die zugrunde liegenden Richtlinien eine Verleihung von Rechten an den Geschädigten bezwecken, es muss ein qualifizierter Verstoß gegen eine solche Norm vorliegen und es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Norm und dem Schaden bestehen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, so dass ein Ausgleichsanspruch besteht. Ein weiter reichendes Verschulden des Arbeitgebers ist keine Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch. Auch ist es nicht notwendig, dass der Beschäftigte zuvor bei seinem Arbeitgeber einen Antrag auf Einhaltung der Höchstarbeitszeit gestellt hat. Der dem Beschäftigten zustehende Schadensersatz muss angemessen sein. Es ist Sache des jeweiligen Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU) festzulegen, ob der Schadensersatz in Form von Geld oder Freizeitausgleich erfolgt. Auch die Regeln zur Berechnung der Höhe des Anspruchs sind von den Mitgliedsstaaten festzulegen.

Das Fazit

Die wichtigsten rechtlichen Normen der EU sind die zwischen den Mitgliedsstaaten abgeschlossenen Verträge. Auf der Grundlage dieser Verträge können die Organe der EU in unterschiedlicher Form Normen erlassen, die für die Bürger der einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich wirken. Werden Regelungen durch die Organe der EU etwa in Form einer Verordnung erlassen, so haben sie für den einzelnen Bürger unmittelbare Wirkung und er kann Ansprüche aus der Verordnung geltend machen. Werden Regelungen hingegen – wie im vorliegenden Fall – in Form einer Richtlinie erlassen, so können sich die Bürger erst dann darauf berufen, wenn der Inhalt der Richtlinie in dem jeweiligen Mitgliedsstaat in nationales Recht übernommen wurde. Diese Umsetzung in nationales Recht muss innerhalb einer festgelegten Frist erfolgen. Erst wenn diese Umsetzungsfrist abgelaufen ist, kann ein Bürger auch direkt aus einer Richtlinie der EU Rechte für sich geltend machen. Hier war die Umsetzungsfrist bereits abgelaufen, so dass dem Kläger des Ausgangsverfahrens ein Ausgleichsanspruch direkt aus der Richtlinie zusteht.

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