Keine Verletzung von Grundrechten durch Streik auf Firmenparkplatz

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält Streikmaßnahmen auf Firmenparkplätzen unter bestimmten Umständen für zulässig und bestätigt damit entsprechende Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2020, Aktenzeichen 1 BvR 719/19 und 1 BvR 720/19; zu BAG, Urteile vom 20. November 2018, Aktenzeichen 1 AZR 189/17, 1 AZR 12/17).

Der Fall

Die beklagte Gewerkschaft hatte 2015 Streiks organisiert, um die beiden nicht tarifgebundenen Beschwerdeführerinnen, welche zum Amazon-Konzern gehören, zum Abschluss eines Anerkennungs-tarifvertrags für die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels zu bewegen. Hierfür wurden außerorts in einem Gewerbegebiet auf dem 28.000 qm großen Betriebsparkplatz vor dem Haupteingang Tonnen und Stehtische aufgestellt. Vertretende der beklagten Gewerkschaft sowie circa 65 streikende Arbeitnehmende verteilten dort Flyer und forderten Mitarbeitende auf, die zum Arbeitsantritt erschienen, sich dem Streik anzuschließen. Hierin sahen die Beschwerdeführerinnen unter anderem eine Verletzung ihres Grundrechts auf Eigentum und ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit und klagten auf Unterlassung. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) beiden Verfahren eine Absage erteilt hatte, legten die Beschwerdeführerinnen Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein.

Die Entscheidung

Das BVerfG hat beide Beschwerden nicht zur Entscheidung angenommen und damit die Urteile des BAG bestätigt. In dem Beschluss stellt das Gericht klar, dass das BAG eine interessengerechte Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen vorgenommen hat und im Ergebnis die Streikmaßnahmen hinzunehmen sind. Hier standen sich das Hausrecht und die unternehmerische Handlungsfreiheit der Arbeitgebenden und die Koalitionsfreiheit der streikenden Arbeitnehmenden und der beklagten Gewerkschaft gegenüber. Zum Schutzbereich der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz gehört insbesondere auch die Streikmobilisierung und somit auch das Ansprechen der (noch) arbeitswilligen Beschäftigten vor Arbeitsbeginn, um diese zum Streik zu motivieren. Für das BAG waren hier insbesondere die örtlichen Gegebenheiten ausschlaggebend. Das Gericht hat eingehend geprüft und keine anderweitige realistische Möglichkeit gesehen, Arbeitswillige im Zuge des Arbeitskampfs zu erreichen, ohne den hiesigen Betriebsparkplatz zu nutzen. Aufgrund der besonderen Lage des Betriebsgeländes würde eine Nutzungsuntersagung, so wie von den Arbeitgebenden gewollt, das Recht, mit Arbeitswilligen zu kommunizieren, um sie zur Streikteilnahme zu überreden, faktisch aufgehoben. Entscheidend sei bei der Abwägung der Grundrechte nicht, „ob die beklagte Gewerkschaft ihre Rechte möglichst effektiv ausüben, sondern ob sie diese überhaupt wahrnehmen“ könne, so das BAG.

Das Fazit

Das BVerfG stellt in dem Beschluss klar, dass das BAG eine umfassende Abwägung der grundrechtlich geschützten Positionen vorgenommen und somit spezifisches Verfassungsrecht nicht verkannt hat. Bei den vorliegenden Entscheidungen des BAG ist jedoch zu beachten, dass es sich hier um besondere örtliche Gegebenheiten handelte und das Hausrecht der Arbeitgebenden nicht generell hinter Streikmaßnahmen zurückstehen muss. Jedoch ist das Grundrecht der Koalitionsfreiheit sehr weitreichend und umfasst, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen, unterschiedliche Arbeitskampfmaßnahmen, zu denen erforderlichenfalls auch derartige Streiks gehören.

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