Bund und Kommunen
Unterschiedliche Berücksichtigung von Berufserfahrung ist europarechtswidrig
Die unterschiedliche Berücksichtigung von einschlägiger Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung bei Einstellung gemäß § 16 Abs. 2 TV-L ist nicht mit der europarechtlich gewährleisteten Freizügigkeit vereinbar (ArbG Berlin, 18. März 2015, Aktenzeichen 60 Ca 4638/14).
Der Fall
Das Arbeitsgericht Berlin hatte im Rahmen eines Rechtsstreits über die zutreffende Eingruppierung eines Beschäftigten nach TV-L zu entscheiden. Streitentscheidende Norm ist § 16 Abs. 2 TV-L, der für die Stufenzuordnung bei Einstellung eine unterschiedliche Behandlung von einschlägiger Berufserfahrung aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber (Land) gegenüber solcher aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber vorsieht.
Die Entscheidung
Das Gericht hat entschieden, dass die in § 16 Abs. 2 TV-L vorgenommene Unterscheidung bei der Stufenzuordnung, je nachdem ob die Berufserfahrung bei demselben (öffentlichen) Arbeitgeber erworben wurde oder bei einem anderen Arbeitgeber, mit der europarechtlich gewährleisteten Freizügigkeit nicht vereinbar ist. Das Gericht beruft sich auf die Entscheidung des EuGH vom 5. Dezember 2013, Aktenzeichen C 514/12 (siehe tacheles Juli / August 2014). Danach ist eine unterschiedliche Anrechnung von Dienstzeiten aus vorherigen Arbeitsverhältnissen zur Ermittlung von Vergütungsstufen abhängig davon, ob diese bei einer Landeseinrichtung oder einem sonstigen Arbeitgeber erbracht wurden, eine unzulässige mittelbare Beeinträchtigung der europarechtlich garantierten Freizügigkeit, weil sie sich auf grenzüberschreitend tätige Beschäftigte in höherem Maße nachteilig auswirke. Dasselbe gilt nach Auffassung des Gerichts für die vorliegende tarifvertragliche Anrechnungsregel. Dass § 16 Abs. 2 TV-L nicht auf Dienstzeiten, sondern auf einschlägige Berufserfahrung abstellt, sei kein für die Frage der mittelbaren Beeinträchtigung der Freizügigkeit erheblicher Unterschied. Rechtsfolge der Unwirksamkeit von § 16 Abs. 2 TV-L ist, dass die Zeiten aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber in gleichem Umfang anzurechnen sind wie die aus einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber.
Das Fazit
Die vorliegende Entscheidung ist zu begrüßen und bestätigt die Auffassung des dbb, wonach die vom EuGH angelegten Maßstäbe auch auf die in Deutschland geltenden Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes anzuwenden sind. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und ist daher zunächst als ein Etappensieg zu betrachten. Wie bereits im mitglieder-info des dbb vom 19. Juni 2014 mitgeteilt, sollen betroffene Beschäftigte zur Vermeidung von Rechtsverlusten einen entsprechenden Antrag bei ihrem Arbeitgeber einreichen.