„Turboprämie“ im kirchlichen Regelwerk

Kollektive Regelungen, in denen für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Aussicht gestellt wird – die aber nicht gezahlt werden soll, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend macht – sind außerhalb von Sozialplänen regelmäßig zulässig. Durch sie wird nach Grund und Höhe freiwillig ein Anspruch begründet. Er darf unter die genannte auflösende Bedingung gestellt werden. Eine solche Regelung verfolgt erkennbar den Zweck einer Verhaltenssteuerung. Dem betroffenen Arbeitnehmer wird eine Gegenleistung als so genannte „Turboprämie“ dafür in Aussicht gestellt, dass er eine rechtlich ohne Weiteres mögliche, aber Kosten verursachende Behinderung der Personalmaßnahme unterlässt. Die Regelung schließt deshalb nach ihrem Sinn und Zweck den Abfindungsanspruch nur dann aus, wenn für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass er tatsächlich ein Wahlrecht zwischen dem Abfindungsanspruch und einem Kündigungsschutzverfahren hat, und er die letztere Möglichkeit wählt.

Die Klägerin war im Kindergarten der Beklagten, einer katholischen Kirchengemeinde, beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war deren kirchliches Regelwerk in Bezug genommen. Nach einer entsprechenden Rationalisierungsschutzordnung erhalten Mitarbeiter, denen auf Grund einer Stilllegung oder Auflösung einer Einrichtung gekündigt wird, eine Abfindung. Der Abfindungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhebt. Die Beklagte kündigte der Klägerin wegen der beabsichtigten Schließung des Kindergartens, ohne auf die Abfindungsregelung in der Rationalisierungsschutzordnung hinzuweisen. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und machte im Laufe des Verfahrens hilfsweise den Abfindungsanspruch geltend. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Die Beklagte hat in der Kündigung und im Zusammenhang mit ihr nicht auf die Wahlmöglichkeit hingewiesen.

(BAG, Urteil vom 3. Mai 2006, Aktenzeichen 4 AZR 189/05)

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