Urlaubsgeld im öffentlichen Dienst und Mutterschutz

Die Klägerin ist beim beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der „Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte“ anwendbar. Danach besteht Anspruch auf Urlaubsgeld unter anderem dann, wenn die Arbeitnehmerin im ersten Kalenderhalbjahr für drei volle Kalendermonate Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte.

Diese Voraussetzung erfüllte die Klägerin 1999 nicht. Als Schwangere unterlag sie von Mitte März bis Ende April der vorgeburtlichen Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG). Während dieser Zeit ist nach § 3 Abs. 2 MuSchG die Beschäftigung der werdenden Mutter verboten, es sei denn, sie erklärt sich ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit. Das beklagte Land zahlte für das Kalenderjahr 1999 kein Urlaubsgeld.

Die dagegen gerichtete Klage war in allen Instanzen erfolgreich. Auch das Bundesarbeitsgericht sieht in dem „Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte“ einen Verstoß gegen das Grundgesetz begründet. Das BAG argumentiert wie folgt: Hätte die Klägerin vor der Geburt ihres Kindes die Schutzfrist nach dem MuSchG nicht in Anspruch genommen, sondern gearbeitet, hätte sie den Anspruch auf Urlaubsgeld nicht verloren.

Die tarifliche Regelung ist daher geeignet, unzulässigen Druck auf Frauen auszuüben, in dieser Zeit zu arbeiten, um sich den Anspruch auf Urlaubsgeld zu erhalten. Das ist nicht mit Art. 6 Abs. 4 GG vereinbar. Danach hat jede Mutter Anspruch auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft. Ob die tarifliche Regelung zudem – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – auch gegen das Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung beim Arbeitsentgelt (Art. 141 EG-Vertrag) verstößt, war vom BAG jedoch nicht zu entscheiden.

(BAG, Urteil vom 20. August 2002 - 9 AZR 353/01)

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