Bund und Kommunen
Fragerecht des Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit
Eine Gewerkschaft hat auch im tarifpluralen Betrieb einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung der Frage, ob seine Arbeitnehmer Mitglieder dieser Gewerkschaft sind. Dies gilt nicht, wenn die Frage zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem mit dieser Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist (Hessisches LAG, Urteil vom 7. November 2012, Aktenzeichen 12 Sa 654/11).
Der Fall
Die Klägerin ist eine tariffähige Gewerkschaft, die unter anderem das Fahrpersonal von Nahverkehrsunternehmen organisiert. Die Beklagte ist ein im regionalen Personennahverkehr tätiges Unternehmen und gehört einem kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) an. Sämtliche Arbeitsverträge der Mitarbeiter enthalten einen Verweis auf den Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe A (TV-N A). Bei der Arbeitgeberin gab es zwei inhaltsgleiche TV-N A, einen mit der Klägerin und einen mit der Gewerkschaft E. Beide Arbeitnehmerorganisationen kündigten den Tarifvertrag. Während die Klägerin die Verhandlungen für gescheitert erklärte, haben E und der KAV eine Einigung erzielt. Die Beklagte informierte die Belegschaft über das Ergebnis der Verhandlungen. Sie wies darauf hin, dass Mitglieder der Klägerin Ansprüche aus der mit der anderen Gewerkschaft erzielten Einigung nicht geltend machen können, und forderte alle Beschäftigten auf, ihr binnen 14 Tagen mitzuteilen, ob sie Mitglieder der Klägerin seien. Die Klägerin sah sich in ihrem Koalitionsrecht verletzt und forderte die Beklagte auf, die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit zu unterlassen.
Die Entscheidung
Die Klägerin hatte mit ihrem Unterlassungsbegehren vor dem Hessischen LAG teilweise Erfolg. Dem Hauptantrag auf ausnahmslose Unterlassung der Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit wurde nicht entsprochen. Dem Hilfsantrag, die Beklagte zur Unterlassung der Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit außer für den Fall zu verurteilen, dass sie zur Klärung der Anwendung von Arbeitsbedingungen aus einem von der Klägerin abgeschlossenen Tarifvertrag erforderlich ist, wurde hingegen stattgegeben. Nach Auffassung des Gerichts steht der Arbeitgeberseite ein Fragerecht zu, soweit hierfür ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Kenntnis der jeweiligen Information im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis besteht. Die Erforderlichkeit ergibt sich vor allem auf arbeitsvertraglicher und sozialversicherungsrechtlicher Ebene. Das Fragerecht ist allerdings begrenzt durch das betriebliche Interesse und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Die konkrete Befragung war rechtswidrig, denn die Frage nach der Zugehörigkeit zur Gewerkschaft war nicht erforderlich, um herauszufinden, welchen Mitarbeitern die Vorteile nach der neuen Tarifeinigung zustehen. Um dies herauszufinden, hätte die Arbeitgeberin den Empfängerkreis direkt abfragen müssen, anstatt mit der Frage die Mitglieder der Klägerin von den Leistungen negativ auszugrenzen. Soweit es allerdings um einen auf die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch zur Durchführung von Befragungen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit geht, hat das Gericht ein Befragungsrecht der Arbeitgeberseite eingeräumt, wenn dieses zur Feststellung der Anwendbarkeit von Arbeitsbedingungen in einem tarifpluralen Betrieb dient. Eine Personalabteilung müsse wissen, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist. In einem solchen Fall überwiegen die Interessen des Arbeitgebers. Die Interessen der Arbeitnehmer seien durch das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB hinreichend geschützt.
Das Fazit
Die vorliegende Entscheidung überzeugt nur teilweise. Die Bekanntgabe der Gewerkschaftsmitgliedschaft ist in jedem Fall, unabhängig von der Motivation der Befragung, mit Risiken für den Arbeitnehmer verbunden und daher zu schützen. Einmal offengelegt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Information missbraucht wird. Insofern müsste sich das Frageverbot nicht nur auf die konkrete Konstellation, sondern auch auf zukünftige Befragungen erstrecken. Es soll den Mitarbeiten überlassen bleiben, ihre Gewerkschaftszugehörigkeit im Streitfall offenzulegen, wenn sie einen bestimmten Anspruch aus einem Tarifvertrag geltend machen wollen. Gegen ein Fragerecht spricht auch, dass vorliegend die Arbeitsverträge aller Mitarbeiter Bezugnahmeklauseln auf den TV-N A enthielten. Es stellt sich daher auch die Frage, ob angesichts dessen die Mitglieder der Klägerin von der Entgelterhöhung überhaupt ausgeschlossen werden konnten oder sie über das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz aufgrund einzelvertraglicher Regelung daran sowieso teilnehmen könnten. Es bleibt die Entscheidung des BAG in der Sache abzuwarten.