Bund und Kommunen
Altersstaffelung bei Erholungsurlaub kann diskriminierend sein
Altersstaffelung bei Erholungsurlaub kann diskriminierend sein. Eine Urlaubsregelung, die den Umfang des Urlaubsanspruchs vom Alter abhängig macht, kann eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellen. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 18. Januar 2011 - 8 Sa 1274/10)
Der Fall
Die Klägerin ist 24 Jahre alt und in einem Betrieb der Beklagten als Einzelhandelskauffrau beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin unterliegt einem Manteltarifvertrag, der einen nach dem Lebensalter gestaffelten Urlaubsanspruch vorsieht. Bei einer Sechs-Tage-Woche besteht ein Anspruch von 30 Urlaubstagen vor Vollendung des 20. Lebensjahres, von 32 Urlaubstagen nach Vollendung des 20. Lebensjahres, von 34 Urlaubstagen nach Vollendung des 23. Lebensjahres sowie von 36 Urlaubstagen nach Vollendung des 30. Lebensjahres. Danach stehen der Klägerin derzeit 34 Urlaubstage pro Jahr zu. Mit ihrer Klage machte sie einen Urlaubsanspruch in Höhe von 36 Tagen geltend, da die bestehende Regelung gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Ungleichbehandlung aufgrund der besonderen Lebensumstände der Beschäftigten im Einzelhandel gerechtfertigt sei. Die Beschäftigten seien überwiegend Frauen, die bis zum 20. Lebensjahr ihre Ausbildung abschlössen und danach in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis wechselten. Nach und nach verfestigten diese ihre Partnerschaften und begännen mit der Familienplanung. Mit der Urlaubsstaffelung könne diesem Umstand Rechnung getragen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt werden.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Urlaub nach der höchsten Altersstufe. Denn die Urlaubsregelung im Manteltarifvertrag verstößt gegen das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) niedergelegte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und ist daher nichtig. Die Ungleichbehandlung ist auch nicht gerechtfertigt. Zwar ist die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein legitimes Ziel. Die Ungleichbehandlung ist hier jedoch nicht objektiv und angemessen. Sie ist nur dann objektiv, wenn auch Außenstehende erkennen können, dass der mit ihr verfolgte Zweck erreichbar ist. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Beklagte annimmt, dass überwiegend weibliche Beschäftigte in der Einzelhandelsbranche arbeiten. Außerdem bestehen keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass die Beschäftigten tatsächlich bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres ihre Familienplanung umsetzen. Diese Ansicht ist vielmehr Ausfluss eines überholten Weltbildes. Es stünden mildere Mittel zur Unterstützung der Familienplanung zur Verfügung, etwa eine Regelung, die eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs von tatsächlich vorhandenen Kindern oder dem Eingehen einer Ehe oder Lebenspartnerschaft abhängig macht. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen. Die Entscheidung ist daher noch nicht rechtskräftig.
Das Fazit
Gemäß AGG dürfen Beschäftigte nicht aufgrund ihres Alters benachteiligt werden. Eine unterschiedliche Behandlung kann jedoch zulässig sein, wenn diese entweder wegen spezifischer beruflicher Anforderungen notwendig ist oder wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Letzteres hat das Gericht im vorliegenden Fall verneint. Aus dem Urteil folgt damit nicht, dass eine Staffelung nach dem Lebensalter in Tarifverträgen generell unzulässig wäre. Sie ist vielmehr dann zulässig, wenn die genannten Voraussetzungen der Objektivität, der Angemessenheit und der Rechtfertigung durch ein legitimes Ziel vorliegen. Ein solches Ziel kann nach den Ausführungen des Gerichts etwa darin bestehen, ein größeres Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dementsprechend können von der vorliegenden Regelung abweichende Staffelungen nach dem Lebensalter wirksam sein. Solche sind in zahlreichen Tarifverträgen enthalten, so auch im TVöD und im TV-L, die Steigerungen des Urlaubsanspruchs ab Vollendung des 30. sowie des 40. Lebensjahres vorsehen.