Bund und Kommunen
Ansprüche aus Tarifvertrag – Günstigkeitsvergleich
Die Regelungen eines auf ein Arbeitsverhältnis aufgrund vertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvertrags kommen nach dem in § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) verankerten Günstigkeitsprinzip nur zum Tragen, soweit sie gegenüber dem kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifvertrag für den Arbeitnehmer günstiger sind. Dies ist im Wege des so genannten Sachgruppenvergleichs zu ermitteln. Ist nach diesen Maßstäben nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die individualvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibt es bei der zwingenden Geltung der tariflichen Bestimmungen (BAG, Urteil vom 15. April 2015, Aktenzeichen 4 AZR 587/13).
Der Fall
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen, den Umfang der Wochenarbeitszeit sowie um Vergütungsansprüche. Der Arbeitsvertrag des Klägers verweist auf die geltenden Tarifverträge der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Am 25. Juni 2007 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte. Am selben Tag schloss diese Haustarifverträge ab, die insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten – Erhöhung der betrieblichen Arbeitszeit von 34 auf 38 Stunden – sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung von den bei der Deutschen Telekom AG (DT AG) geltenden Tarifverträgen abweichen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Arbeitszeit- und Entgeltregelungen der letztgenannten Tarifverträge seien mit Stand des letzten Betriebsübergangs aufgrund der vertraglichen Bezugnahme auf sein Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden. Diese Bestimmungen seien günstiger als die kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifverträge der Beklagten. Er hat deshalb die Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von 34 Stunden sowie – für mehrere Monate des Jahres 2011 – insbesondere die Vergütung von wöchentlich vier weiteren Stunden nebst Zuschlägen begehrt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Vorinstanz hat der Berufung des Klägers überwiegend stattgegeben.
Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab der Beklagten recht. Zwar finden die Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis der Parteien weiter Anwendung. Deren Arbeitszeit- und Entgeltbestimmungen sind aber im maßgebenden Zeitraum nicht günstiger als die für das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge der Beklagten. Bei dem vorzunehmenden Sachgruppenvergleich können Arbeitszeit und das regelmäßig geschuldete Arbeitsentgelt nicht isoliert betrachtet werden. Sie bilden vielmehr eine einheitliche Sachgruppe. Ändert sich eine der zu vergleichenden Regelungen, ist für den betreffenden Zeitabschnitt ein erneuter Vergleich durchzuführen. Ist danach – wie im Entscheidungsfall – im maßgebenden Zeitraum nach den normativ geltenden Tarifverträgen sowohl die Arbeitszeit länger als auch das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Monatsentgelt höher, ist die einzelvertragliche Regelung nicht zweifelsfrei günstiger im Sinne von § 4 Abs. 3 TVG.
Das Fazit
Für die Durchführung eines Günstigkeitsvergleichs sind die abstrakten Regelungen maßgebend, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die betreffende Regelung günstiger ist oder nicht, ist keine „Günstigkeit“ im Sinne von § 4 Abs. 3 TVG gegeben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben.