Haustarifvertrag kann arbeitsvertragliche Regelung nicht ablösen

Eine Regelung in einem Arbeitsvertrag kann von einer Regelung in einem Haustarifvertrag nicht abgelöst werden. Dies gilt auch dann, wenn beide Seiten tarifgebunden sind und es sich bei der arbeitsvertraglichen Regelung um eine Bezugnahme auf Richtlinien für Arbeitsverträge der Caritas handelt (BAG, Urteil vom 22. Februar 2012, Aktenzeichen 4 AZR 24/10).

Der Fall

Bei den Klägerinnen und Klägern des Verfahrens handelt es sich um eine Gruppe von Angestellten in einem Krankenhaus, die im nichtärztlichen Dienst tätig sind. Bei Abschluss ihrer Arbeitsverträge wurde mit dem Träger des Krankenhauses in den Arbeitsverträgen eine Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) vereinbart. In der Folgezeit wurden diese Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung weiter angewandt. Im Jahr 2007 hat die Beklagte das Krankenhaus übernommen, in dem die Klägerinnen und Kläger beschäftigt sind. Bereits zuvor hatte die Beklagte mit einer Gewerkschaft Tarifverträge für ihre Konzernunternehmen abgeschlossen. Nach Übernahme des Krankenhauses vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft einen Nachtragstarifvertrag, in dem geregelt wurde, dass die zwischen Beklagter und Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifverträge auch bei dem neu übernommenen Krankenhaus gelten. Die Klägerinnen und Kläger machten geltend, dass die AVR trotz dieser tarifvertraglichen Regelungen auch weiterhin Anwendung finden.

Die Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Die Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas sind auf die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen und Kläger weiterhin anwendbar. Unabhängig von der Frage, ob der Nachtragstarifvertrag bei der Beklagten gilt, kann dieser die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht verdrängen. Dies gilt auch dann, wenn beide Parteien des Arbeitsvertrags an den Tarifvertrag gebunden sind. Auch die Regelungen im Arbeitsvertrag, die eine Bezugnahme auf die Richtlinien der Caritas darstellen, wurden nicht abgelöst und haben weiterhin Geltung. Ob Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag oder aus dem Tarifvertrag vorgehen, bestimmt sich nach dem Günstigkeitsprinzip gemäß Tarifvertragsgesetz (TVG).

Das Fazit

Gemäß § 4 Abs. 3 TVG sind Abmachungen, die von einem Tarifvertrag abweichen, nur dann zulässig, wenn sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder wenn sie zugunsten des Arbeitnehmers vom Tarifvertrag abweichen (so genanntes Günstigkeitsprinzip). Enthält ein Arbeitsvertrag also günstigere Regelungen als der Tarifvertrag, so gehen diese den tarifvertraglichen Bestimmungen vor. Dies stellt das vorliegende Urteil noch einmal zutreffend klar. Bei der Prüfung, welche Regelung günstiger ist, ist grundsätzlich das Interesse des einzelnen Arbeitsnehmers entscheidend. Hierbei ist allerdings problematisch, auf welche Art und Weise ein Günstigkeitsvergleich vorgenommen wird. Nach der überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur ist kein Vergleich einzelner Klauseln in Arbeits- und Tarifvertrag, sondern ein so genannter Sachgruppenvergleich vorzunehmen. Danach sind alle Normen in den Vergleich einzubeziehen, die in einem inneren Zusammenhang stehen. Wie weit eine Vergleichsgruppe zu fassen ist, ist jedoch nicht abschließend geklärt. Wenn nach objektiven Kriterien für einen längeren Zeitraum feststeht, dass eine arbeitsvertragliche Regelung günstiger ist, so geht diese der tarifvertraglichen Regelung vor. Kann nicht geklärt werden, ob eine abweichende Regelung günstiger ist, so ist diese im Zweifel zum Schutz der Arbeitnehmer unzulässig.

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