Corona-Sonderzulage für niedersächsische Beamte ist grundsätzlich pfändbar

Die Corona-Sonderzulage, die gemäß § 63 a des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) den Besoldungsempfängern zusteht, stellt keine unpfändbare Erschwerniszulage dar.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Juli 2023 - IX ZB 24/22-

Der Fall

Der Schuldner ist Beamter des Landes Niedersachsen. Er stellte am 24. Mai 2018 Insolvenzantrag und beantragte die Erteilung der Restschuldbefreiung. Zugleich trat er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus seinem Dienstverhältnis für die Dauer von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab. Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren auf und bestimmte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder.

Das Land Niedersachsen gewährte dem Schuldner im März 2022 gemäß § 63a NBesG eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300 €. Der Schuldner beantragte beim Amtsgericht (Insolvenzgericht), dass ihm die Corona-Sonderzahlung als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) vollständig pfändungsfrei belassen wird und nicht den Pfändungsvorschriften für Arbeitseinkommen unterfällt.

Das Amtsgericht (Insolvenzgericht) hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die Unpfändbarkeit der Sonderzahlung bejaht und gemeint, der Landesgesetzgeber habe mit § 63a NBesG, nach dessen Wortlaut die Sonderzahlung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die COVID-19-Pandemie gewährt werde, hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass diese dem Ausgleich besonderer pandemiebedingter Belastungen der Beamten diene. Damit habe der Gesetzgeber zugleich deren Charakter als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO gesetzlich festgeschrieben.

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf die Rechtsbeschwerde des Treuhänders aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Welche Anforderungen an eine Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO zu stellen sind, richtet sich allein nach dem Verständnis des Bundesgesetzgebers. Die Länder haben keine Kompetenz, die Behandlung einer von ihnen gewährten Sonderzahlung als Erschwerniszulage gesetzlich vorzuschreiben und hierbei von § 850a Nr. 3 ZPO abweichende Voraussetzungen festzulegen.

Bei der Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG handelt es sich gemäß § 850 Abs. 2 Fall 1, Abs. 4 ZPO um Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 1 ZPO, das nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO gepfändet werden kann. Unpfändbar sind danach unter anderem Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.

Es handelt sich bei der Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG jedoch nicht um eine Erschwerniszulage. Die darin festgelegten Voraussetzungen für die Sonderzahlung genügen nicht den Anforderungen, die an eine Erschwerniszulage im Sinne von § 850a Nr. 3 ZPO zu stellen sind.

Diese setzen eine besondere Belastung bei der oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung voraus. Es muss sich also um eine tatsächlich gegebene Erschwernis handeln. Diese muss weder berufsspezifisch noch dauerhaft mit der Erbringung der Arbeitsleistung verbunden sein. Der Begriff der Erschwerniszulage spricht als solcher für ein weites, nicht auf die der Ausübung der Arbeit an sich innewohnenden Belastungen begrenztes Verständnis. Es reicht vielmehr, wenn die Tätigkeit im Einzelfall nur vorübergehend mit Erschwernissen verbunden ist.

Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 3 ZPO wird gewährt, weil beim Schuldner eine besondere Belastung bei oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung gegeben ist. Dies setzt voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Zulage veranlassen, konkret bezeichnet sind. Wird der Kreis der anspruchsberechtigten Personen durch eine abstrakt-generelle Regelung festgelegt, muss diese Regelung den Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgrenzen, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen. Sieht die abstrakt-generelle Regelung – wie § 63a NBesG – für alle Beschäftigten eine Zahlung des Dienstherrn vor, liegt darin nur dann eine Erschwerniszulage, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei allen Beschäftigten zu einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit führen.

Diese Anforderungen erfüllt § 63a NBesG nicht. Der Landesgesetzgeber hat davon abgesehen, den Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung von einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit durch die Corona-Pandemie abhängig zu machen. Die beiden Voraussetzungen des Anspruchs (Bestehen eines Dienstverhältnisses am 29. November 2021 und Anspruch auf Dienstbezüge an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 29. November 2021) sind unabhängig davon, ob der Empfänger besonderen Belastungen bei der Verrichtung des Dienstes ausgesetzt ist, wie etwa einem besonders intensiven Kontakt zu anderen Menschen und damit einem besonderen Infektionsrisiko. Die allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben keinen Bezug zum Dienst und seiner Verrichtung, der eine Behandlung als unpfändbare Erschwerniszulage rechtfertigt.

Das Fazit

Besteht aufgrund einer abstrakt-generellen Regelung ein Anspruch auf eine Sonderzahlung, stellt dies nur dann eine Erschwerniszulage dar, wenn der Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgegrenzt ist, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen.

Eine gesetzliche Regelung, die allen zumindest an einem Tag in einem bestimmten Zeitraum beschäftigten Besoldungsempfängern eines Landes einen Anspruch auf eine Corona-Sonderzahlung einräumt, stellt keine Erschwerniszulage dar.

Eine Corona-Sonderzulage, die das Land Niedersachsen Beamtinnen und Beamten gezahlt hat, ist nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) grundsätzlich pfändbar.

Vorinstanzen

AG Lüneburg - Beschluss vom 22. März 2022 - 46 IK 71/18

LG Lüneburg - Beschluss vom 10. Mai 2022 - 3 T 8/22

Quelle: PM BGH Nr. 141/2023

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