Keine Nebentätigkeit bei langer Erkrankung

Übt ein Beamter, der seit langer Zeit krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leistet, eine Nebentätigkeit aus und wird dies der Öffentlichkeit bekannt, kann der dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträgliche Eindruck entstehen, der Dienstherr nehme es hin, dass der Beamte seine augenscheinlich doch vorhandene Arbeitskraft nicht für die Verrichtung der ihn regulär treffenden Dienstpflichten, sondern für anderweitige Tätigkeiten aufwendet.

OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2023 – 6 B 83/23–

Der Fall

Ein langjährig dienstunfähig erkrankter Polizeioberkommissar hat Beschwerde gegen die Untersagung genehmigungsfreier Nebentätigkeiten eingelegt. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2022 hat sein Dienstherr verfügt, dass er auf zwei Tagungen der Unfallkasse NRW zum Thema Prävention keine Vorträge halten dürfe, weil dieses unter anderem dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung schade, da der Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen könne, der Dienstherr lasse es zu, dass ein Beamter seine Arbeitskraft nicht für seine Dienstpflichten nutze. Der Bescheid war sofort vollziehbar.

Die Entscheidung

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat die sofortige Vollziehbarkeit sowohl aus formellen, als auch aus materiellen Gründen für rechtmäßig erklärt.

In materieller Hinsicht erweise sich die Untersagung der Nebentätigkeiten bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Sie beruhe auf § 51 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW. Bei den jeweils unentgeltlichen streitbefangenen Nebentätigkeiten handele es sich um genehmigungsfreie wissenschaftliche Tätigkeiten im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 LBG NRW. Durch diese ergebe sich, wie von § 51 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW vorausgesetzt, eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen, weil sie im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 LBG NRW dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich seien. Wenn ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung außerstande sei, Dienst zu verrichten, dennoch in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit, in der er von seinem Dienstherrn alimentiert werde, einer privaten Erwerbstätigkeit nachgehe, zeige er ein Verhalten, das auf Unverständnis stoße und in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes und die Loyalität der Beamtenschaft zu beeinträchtigen. Der Dienstherr alimentiere Beamte auch bei Dienstunfähigkeit und stelle so sicher, dass sich ein Beamter schonen könne, um seine Genesung bestmöglich zu fördern. Gehe ein krankgeschriebener Beamter einer privaten Nebentätigkeit nach, erwecke er für einen verständigen Betrachter den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande sei, also seine Dienstbezüge zu erhalten, ohne zugleich seine Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, und sich nicht um die Wiederherstellung seiner Gesundheit zu kümmern. Zudem entstehe der Eindruck, der Beamte mache im Krankenstand, was er wolle, während der Dienstherr dieses Verhalten hinnehme, ohne dagegen vorzugehen. Danach ergebe sich durch die von dem Antragsteller angezeigten Nebentätigkeiten eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen. Der Antragsteller habe seit mittlerweile mehr als acht Jahren nahezu keinen Dienst verrichtet; er sei seit September 2014 fast durchgehend krank gemeldet gewesen. Dass er dennoch den genannten Nebentätigkeiten nachgehe, habe ansehensmindernde Auswirkungen auf die öffentliche Verwaltung, namentlich die Polizei NRW. Denn es sei aus Sicht eines verständigen Betrachters widersprüchlich und unverständlich, dass der Antragsteller sich seit mehr als acht Jahren bei voller Besoldung im Krankenstand befinde, aber durch die Nebentätigkeiten den Eindruck erwecke, nicht so krank zu sein, dass er tatsächlich zur Dienstleistung außerstande sei, sondern vielmehr seiner Nebentätigkeit einen höheren Stellenwert beimesse als seinem Dienst als Beamter bzw. der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit, und der Dienstherr dies tatenlos hinnehme. Dieser Eindruck beeinträchtige das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in diesen nicht nur möglicherweise, sondern tatsächlich.

Da die Nebentätigkeiten des Antragstellers demnach dienstliche Interessen beeinträchtigten, habe es sich bei dem "Ob" der Untersagung angesichts des Wortlauts des § 51 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW ("ist … zu untersagen") um eine gebundene Entscheidung gehandelt. Dass allein eine teilweise Untersagung verhältnismäßig gewesen wäre, sei weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

(…)

Der Antragsteller macht zudem geltend, das Verwaltungsgericht habe die rechtlichen Anforderungen an die Untersagung nicht genehmigungspflichtiger Nebentätigkeiten dadurch in unzulässiger Weise abgesenkt, dass es zur Begründung der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen auf § 49 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Nr. 6 LBG NRW abgestellt habe. Dem ist nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass nach § 49 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW die Genehmigung einer Nebentätigkeit bereits dann zu versagen ist, wenn sie dienstliche Interessen beeinträchtigen kann, was nach dem Regelbeispiel des § 49 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW schon dann der Fall ist, wenn sie dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann. Demgegenüber setzt § 51 Abs. 2 LBG NRW für die Untersagung nicht genehmigungspflichtiger Nebentätigkeiten voraus, dass sich eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen "ergibt", also tatsächlich vorliegt. Hiervon ist allerdings auch das Verwaltungsgericht ausgegangen und hat ausdrücklich festgestellt, dass sich durch die in Rede stehenden Nebentätigkeiten eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergibt. Es hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass der durch die Nebentätigkeiten des Antragstellers entstehende Eindruck, trotz jahrelanger Krankschreibung zur Dienstleistung nicht außerstande zu sein, sondern der Nebentätigkeit einen höheren Stellenwert beizumessen als dem regulären Dienst, das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in diesen nicht nur möglicherweise, sondern tatsächlich beeinträchtigt.

Zu Unrecht macht die Beschwerde weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend angenommen, dass es sich bei den streitbefangenen Nebentätigkeiten um private Erwerbstätigkeiten handele. Das Gericht hat vielmehr ausgeführt, dass es für die Annahme einer Ansehensminderung und damit Beeinträchtigung dienstlicher Interessen unerheblich ist, dass der - nach wie vor voll alimentierte - Antragsteller für seine Nebentätigkeiten keine Vergütung erhält und diese für das Innenministerium des Landes NRW bzw. für das der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (HSPV NRW) angegliederte Institut für Geschichte und Ethik erfolgen sollen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Auch eine grundsätzlich zulässige und im öffentlichen Interesse stehende Nebentätigkeit kann wegen der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW zu untersagen sein, wenn sich dies - etwa in Form einer Abträglichkeit für das Ansehen der öffentlichen Verwaltung im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 LBG NRW - aus den weiteren konkreten Umständen des Einzelfalls ergibt.

Dies ist hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, mit Blick auf die vom Antragsteller angezeigte Ausübung verschiedener Nebentätigkeiten trotz seiner lang andauernden Dienstunfähigkeit der Fall. Würde der Antragsteller, der seit September 2014 krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leistet, eine Nebentätigkeit ausüben und würde dies der Öffentlichkeit bekannt, entstünde für einen verständigen Betrachter der Eindruck, der Dienstherr nehme es hin, dass der Antragsteller seine augenscheinlich doch vorhandene Arbeitskraft nicht für die Verrichtung der ihn regulär treffenden Dienstpflichten, sondern für anderweitige - ihm offenbar gefälligere und deutlich weniger umfangreiche - Tätigkeiten aufwendet.

Daran ist festzuhalten. Der Lesart des Antragstellers, dass er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten "wenigstens" mit den Nebentätigkeiten seinem Dienstherrn zur Verfügung stelle und so etwas für seine Alimentation tue, was er rechtlich nicht tun müsse, weil sich der Antragsgegner seit bald einem Jahrzehnt die Ursache seiner Dienstunfähigkeit, den festgefahrenen Arbeitsplatzkonflikt, tatenlos ansehe und auf diese Weise dafür sorge, dass er seinem Dienstherrn bei voller Alimentation nicht mit einer Dienstleistung zur Verfügung stehe, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Umstand, dass die Erkrankung des Beamten in Zusammenhang mit Vorkommnissen auf der Dienststelle oder Auseinandersetzungen mit dem Dienstherrn steht, ermöglicht diesem nicht, dem Beamten eine Nebentätigkeit zu gestatten, die dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich ist und damit das Vertrauen in die Integrität des öffentlichen Dienstes gefährdet.

(…)

Soweit der Antragssteller schließlich vorträgt, trotz der Öffentlichkeitswirksamkeit der streitbefangenen Nebentätigkeiten sei es bis heute zu keiner tatsächlichen Ansehensminderung gekommen, vielmehr sei die Untersagung der Tätigkeiten bei Mitgliedern der Initiative "Sicher im Dienst" und des IGE auf Unverständnis gestoßen, dringt er auch damit nicht durch. Wie vorstehend dargelegt, ergibt sich für einen verständigen Betrachter, der weiß, dass der Antragsteller seit Jahren krankheitsbedingt so gut wie keinen Dienst mehr geleistet hat, angesichts der in Rede stehenden Nebentätigkeiten der dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträgliche Eindruck, der Dienstherr nehme es hin, dass der Antragsteller seine augenscheinlich doch vorhandene Arbeitskraft nicht für die Verrichtung des regulären Dienstes, sondern für anderweitige Tätigkeiten aufwendet. Dass (einzelne) Mitglieder der die Nebentätigkeiten des Antragstellers ausrichtenden Institutionen dies anders sehen mögen - insoweit bleibt die Beschwerde allerdings schon jegliche Substantiierung schuldig -, ändert daran nichts.

Das Fazit

Wenn ein Beamter, der seit Jahren krankheitsbedingt keinen Dienst mehr leistet, eine Nebentätigkeit ausüben würde und dies öffentliche bekannt wäre, entstünde für einen verständigen Betrachter der Eindruck, der Dienstherr nehme es hin, dass der Antragsteller seine augenscheinlich doch vorhandene Arbeitskraft nicht für die Verrichtung der ihn regulär treffenden Dienstpflichten, sondern für anderweitige - ihm offenbar gefälligere und deutlich weniger umfangreiche - Tätigkeiten aufwendet.

Für die Frage, ob die Ausübung einer Nebentätigkeit durch einen erkrankten Beamten dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich ist, kommt es auch dann nicht auf die Ursache der Erkrankung des Beamten an, wenn diese in Vorkommnissen auf der Dienststelle begründet liegt.

vorgehend: Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 2572/22

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