Rechtmäßigkeit des sofortigen Vollzugs der Rücknahme einer Ernennung als Beamtin auf Widerruf bei arglistiger Täuschung über Verfassungstreue

Vorläufiger Rechtsschutz erfolglos

  1. Eine Tätigkeit für ein Magazin, das nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden erwiesen rechtsextreme und verfassungsfeindliche Inhalte verbreitet ist nicht mit einer Berufung ins Beamtenverhältnis vereinbar.
  2. Die Dienstbehörde darf für die Beurteilung eines solchen Magazins als rechtsextrem und verfassungsfeindlich, auf die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden zurückgreifen und muss keine eigene Prüfung vornehmen.
  3. Eine durch arglistige Täuschung herbeigeführte Einstellung ist mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Bsp.: VG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 06.06.2024 - 2 L 78/24

Der Fall

Die Antragstellerin war von September 2022 bis zum 31.01.2023 für „COMPACT “ tätig. Dabei trat sie – unter falschem Namen, mit Brille und Perücke –  vor allem als Moderatorin einer Vielzahl von Videos aus der Reihe „COMPACT – Der Tag“ in Erscheinung. „COMPACT“ wird vom Verfassungsschutz seit 2021 als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Für ihre Bewerbung auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst als Lehramtsanwärterin, reichte die Antragstellerin einen Lebenslauf vom 04.10.2022 ein. Dort gab sie ihre Tätigkeit bei „COMPACT“ nicht an. Am 08.01.2023 reichte die Antragstellerin einen Personalfragebogen und die „Belehrung und Erklärung bei Einstellung in den öffentlichen Dienst“, ein. Hierbei unterließ sie es erneut ihre Tätigkeit bei „COMPACT“ anzugeben.

Mit der „Belehrung und Erklärung bei Einstellung in den öffentlichen Dienst“, wurde die Antragstellerin auf die beamtliche Pflicht hingewiesen, sich jederzeit zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und schützend vor diese zu stellen sowie darüber aufgeklärt, dass die Teilnahme an Bestrebungen, die sich gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung richten, mit dieser Pflicht nicht vereinbar sind und daher zur Entfernung aus dem Dienst führen. Die Antragstellerin erklärte mit Unterzeichnung dieses Formulars, in keiner Weise solche Bestrebungen zu unterstützen und zu wissen: „dass eine arglistige Täuschung durch wahrheitswidrige Abgabe der vorstehenden Erklärungen zur Rücknahme der Ernennung führt“.

Auf Grundlage dieser Unterlagen wurde sie durch die Antragsgegnerin am 13.01.2023, mit Wirkung zum 01.02.2023 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Lehramtsanwärterin ernannt und als Lehrkraft an einer brandenburgischen Grundschule eingesetzt.

In einem – nach Bekanntwerden der Tätigkeit der Antragstellerin bei „COMPACT“ durch den Tagesspiegel – am 15.09.2023 stattgefundenen Dienstgespräch, räumte diese zwar gegenüber der Antragsgegnerin ihre Tätigkeit für „COMPACT“ ein, beteuerte jedoch, dass ihr die Einstufung des Magazins als gesichert rechtsextrem nicht bewusst gewesen sei, wobei sie sich dennoch geweigert habe als Moderatorin einzelne Sätze zu sagen. Die Antragsgegnerin erließ daraufhin ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, und ordnete dessen sofortigen Vollzug an.

Nach Anhörung der Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin deren Ernennung zur Beamtin auf Widerruf mit Bescheid vom 01.12.2023 zurück und ordnete den sofortigen Vollzug an.

Die Antragstellerin legte am 18.12.2023 Widerspruch bei der Antragsgegnerin ein und stellte am 22.02.2024 einen Antrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) auf vorläufigen Rechtsschutz.

Die Entscheidung

Mit Beschluss vom 06.06.2024 lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Dieser sei unbegründet, da die Rücknahme der Ernennung der Antragstellerin zur Beamtin auf Widerruf § 8 Abs. 1 LBG i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG bereits offensichtlich rechtmäßig sei. Schließlich habe die Antragstellerin die Ernennung durch arglistige Täuschung der Antragsgegnerin herbeigeführt.

Eine Täuschung läge vor, da die Antragstellerin unrichtige Angaben hinsichtlich ihrer Verfassungstreue gemacht sowie ihre Tätigkeit bei „COMPACT“, als ernennungsrelevante Tatsache, trotz expliziter Nachfrage durch die Antragsgegnerin, verschwiegen habe.

Die Antragsgegnerin habe am 09. Januar 2023 mit der „Belehrung und Erklärung bei Einstellung in den öffentlichen Dienst“ angegeben, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu bejahen, sich zu ihr zu bekennen und für sie einzutreten und somit die Einstellungsvoraussetzungen zu erfüllen. Das habe angesichts ihrer Tätigkeit für das gesichert rechtsextremistische „COMPACT“ jedoch nicht der Wahrheit entsprochen. Für die Einordnung von „COMPACT“, als rechtsextrem und verfassungsfeindlich habe die Antragsgegnerin auf die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden, ohne selbstständige Prüfung zurückgreifen dürfen. Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei vorliegend bereits durch die passive Hinnahme wiederholter Verbreitung von Inhalten, die nicht mit der Verfassung vereinbar seien, durch „COMPACT“ in Frage gestellt. Beispielhaft könnten hierfür unter anderem eigene Beiträge des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner, der spätestens durch seine Teilnahme am „Geheimplan gegen Deutschland“ bundesweite Bekanntheit erlangte, angeführt werden.

Die Antragstellerin sei mit ihrem Verhalten jedoch ohnehin weit über eine bloße passive Hinnahme hinausgegangen, indem sie selbst wiederholt verfassungsfeindliche Aussagen, wie bspw. am 26.01.2024: „Wir haben ja schon immer darauf hingewiesen, dass Deutschland ein besetztes Landist“, getätigt habe. Hiermit habe sie die staatliche Souveränität und die demokratische Legitimität der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt. Zudem müsse sie sich den Inhalt der von ihr anmoderierten Beiträge sowie Äußerungen von ihr interviewter Personen zurechnen lassen. Am 30.01.2023 habe bspw. ein Interviewpartner der Antragstellerin zur Veröffentlichung einer Statistik der Bundespolizei zur Anzahl der Straftaten in Bahnen im Jahr 2022 geäußert: „Und da muss man ja bedenken: Das sind die offiziellen Zahlen und als Ausländer gelten ja nur die Migranten ohne deutschen Pass und die Migranten mit deutschen Pass werden mittlerweile gar nicht gesondert gelistet und gelten als Deutsche.“ Hiermit sei zum Ausdruck gebracht worden, Deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund, seien keine Deutschen. Dieser völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstoße gegen die Menschenwürde.

Die Antragstellerin sei dabei auch arglistig vorgegangen. Ihre Behauptung, die verfassungsfeindlichen Inhalte von „COMPACT“ nicht erkannt zu haben, sei eine reine Schutzbehauptung. Angesichts dieses Bildungsniveaus könne ihr unterstellt werden, über ausreichend historische und politische Kenntnisse zu verfügen, um die Sendungsinhalte von „COMPACT“ als extremistisch eizuordnen. Sollte sie sich tatsächlich geweigert haben einzelne Sätze auszusprechen, sei anzunehmen, dass ihr auch der rechtsextreme Bedeutungsgehalt ihrer eigenen Sprechbeiträge bewusst war. Das zeige sich außerdem durch das Verwenden eines Aliasnamens und das Tragen einer Perücke und einer Brille.

Das Fazit

Wer arglistig über einstellungsrelevante Tatsachen täuscht, muss mit einer Rücknahme der Ernennung zur verbeamteten Person für die Vergangenheit rechnen. Hierfür genügt das Verschweigen einer beruflichen Tätigkeit für eine Plattform, die Inhalte verbreitet, die nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden gesichert rechtsextrem und verfassungsfeindlich sind.

Der dbb begrüßt diese wichtige Entscheidung ausdrücklich. Personen, die der Verfassung feindlich gegenüberstehen dürfen keinen Platz im Beamtenverhältnis haben. Die Bevölkerung muss jederzeit darauf vertrauen könne, dass verbeamtete Personen als verlängerter Arm des Staates bedingungslos hinter der Verfassung stehen.

Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient in erster Linie der Ausbildung und Erprobung von Personen in Anwartschaft auf die Verbeamtung. Hierbei soll festgestellt werden, ob diese den Anforderungen des öffentlichen Dienstes entsprechen. Da das Beamtenverhältnis auf Widerruf, wie der Name schon sagt, jederzeit widerrufen werden kann, kann das Dienstverhältnis von Personen die diese Anforderungen nicht erfüllen, schnell und unkompliziert beendet werden. Weil die Entfernung einer Person aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit an sehr viel höhere Hürden geknüpft ist, ist es nach Ansicht des dbb umso begrüßenswerter, wenn extremistische Personen wie im vorliegenden Fall bereits während des Vorbereitungsdienstes aussortiert werden können.

Dieser Fall zeigt einmal mehr das Erfordernis einer, der Ernennung vorangehenden, Überprüfung der Verfassungstreue von Bewerbenden. Demnach erachtet der dbb den am 26.04.2024 vom Brandenburgischen Landtag beschlossenen „Verfassungstreue-Check“ als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

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