dbb magazin 9/2024

JUGEND Strahlenschutz Airbus, Einhorn, Leberwurstbrötchen Ein paar Sekunden nur und über 70 Tonnen Stahl, Menschen und Treibstoff schießen die Startbahn hinunter. „Rotate.“ Bei knapp 300 Kilometer pro Stunde zieht die Kapitänin am Sidestick, der Flieger erhebt sich in die Luft. „Positive climb – gear up.“ Während das Fahrwerk rumpelnd einfährt, fällt der Schatten der Maschine unter ihr zügig zurück, die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne durchschneiden gleißend das Cockpit. Wer denkt in diesem Szenario an Strahlenschutz? Unsere Pilotin. Sie verdient zwar das Geld für die (vegetarischen) Leberwurstbrötchen ihrer Familie als Pilotin, aber sie ist auch ein Einhorn, eine schillernde Gestalt aus der sagenumwobenen Welt des Ehrenamts, denn sie leitet die Arbeitsgruppe Strahlenschutz in der Vereinigung Cockpit. Signalwesten und Eisberge Vereinigung Cockpit (VC), sind das nicht diese unverschämt überbezahlten Piloten, die ständig in den Nachrichten auftauchen, wenn sie mit leuchtenden Signalwesten für noch mehr Geld streiken? Das wäre zu kurz gegriffen. Eines der sichtbarsten Elemente der VC ist zwar die Tarifarbeit mit den erwähnten, öffentlich so gut vermarktbaren Arbeitskampfmaßnahmen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs, unter dessen Oberfläche das große Feld der Verbandsarbeit liegt. Zum Beispiel für Flugsicherheit, „Flight Safety“ genannt. Ein Teil davon ist die AG Strahlenschutz, deren Existenz lebenswichtig für Piloten und fliegendes Personal ist. In Strahlenschutzverordnung und Strahlenschutzgesetz sind viele Grob- und Feinheiten des Strahlenschutzes geregelt. Menschen, die während der Arbeit Strahlung ausgesetzt sind, müssen zum Beispiel in einem Strahlenschutzregister mit der aufgenommenen Dosis erfasst sein. Grenzwerte müssen festgelegt, überwacht und eingehalten werden. Gerade in der Fliegerei, denn hier heißt das Zauberwort Höhenstrahlung. Wir erinnern uns an die Lichtstrahlen, die in das Cockpit fallen. Die Sonne schleudert uns nicht nur Licht, sondern auch hochenergetische Partikel in unterschiedlicher Menge und Stärke entgegen. Und unsere Sonne ist nicht der einzige Stern im Universum. Hintergrundstrahlung bombardiert die Erde durchgängig von allen Seiten. Nur die Atmosphäre und unser Erdmagnetfeld schützen uns vor diesen galaktischen Strahlenkanonen. Ein modernes Flugzeug hat die Angewohnheit, sehr weit oben in der schützenden Atmosphäre zu fliegen, in Bereichen, wo der Schutz vor der Strahlung allmählich abnimmt. Deshalb zählen Flugbegleitende, Pilotinnen und Piloten zum strahlenexponierten Personal. Passagiere sind auch von diesen Effekten betroffen, fliegen allerdings nicht so häufig, als dass sich diese negativ auf die Gesundheit auswirken würden. Der Eisberg ist also groß, neben den Crews sind auch Planerinnen und Planer involviert, weil sie über Dienstpläne und Flugwege Einfluss auf die Strahlungsmengen nehmen können. Und Strahlenschutzverantwortliche, Passagiere, der Gesetzgeber. Einsatz für ein sicheres Arbeitsumfeld Die AG Strahlenschutz ist ein nahezu unsichtbarer, aber wichtiger Bestandteil dieses Eisbergs. Sie benötigt Menschen mit dem Blick für Probleme und deren Lösung. Denn es hilft nicht, Arbeitgeber auf Missstände im Strahlenschutz hinzuweisen, wenn es keine ausreichende Gesetzesgrundlage für den Strahlenschutz in der Verkehrsfliegerei gibt. Bis jetzt unerwähnt blieb etwa der kaum reglementierte Einfluss der UV-Strahlung. Die AG Strahlenschutz hat in Zusammenarbeit mit der europäischen Pilotenvereinigung ECA bereits viel für den Strahlenschutz erreicht. Ihre Mitglieder legen immer wieder den Finger in die Wunde und zeigen die Stellen auf, an denen Handlungsbedarf besteht. Und wie immer in der Geschichte der Menschheit: Wenn alle Betroffenen zusammen auf ein Ziel, in diesem Fall ein sicheres Arbeitsumfeld, hinarbeiten, nur dann besteht die Chance, dies auch zu erreichen. „50-40-30-20-10 – retard.“ Quietschend setzt das Hauptfahrwerk auf der Landebahn auf. Theresia zieht den Umkehrschub auf, die Bremsen greifen, das Flugzeug kommt langsam zum Stehen. Ein Flug ist sicher geschafft. Aber noch viele liegen vor ihr. Ralph Krebs, Kapitän und stellvertretender Leiter der AG Strahlenschutz, VC „Take-off.“ Theresias Stimme klingt fest. Fest wie ihr Griff um die Schubhebel des Airbus A321, die sie in diesem Moment entschlossen nach vorn schiebt. Die Jettriebwerke brüllen entfesselt auf, Triebwerksschaufeln aus Titan fressen sich durch die kalte Morgenluft und produzieren unfassbaren Vorwärtsschub. Foto: Manop Phimsit/ Colourbox.de INTERN 35 dbb magazin | September 2024

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==